Performance des Tages: Rote Karte für fünf WM-Teilnehmer
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Selbst Schiedsrichter Pierluigi Collina wäre es vermutlich nicht ganz leicht gefallen, die fünf Kandidaten für eine Rote Karte bei dieser Weltmeisterschaft herauszugreifen. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die sich für die Freiheit der Presse in der Welt und insbesondere gegen die Verfolgung von Journalisten einsetzt, hat sich für Saudi-Arabien, China, Russland, Tunesien und die Türkei entschieden. Was keineswegs heißt, dass es um die Informationsfreiheit in den Ländern der anderen WM-Teilnehmer unbedingt ideal bestellt ist.

Man wolle „das größte Fest des Fußballs“ keineswegs verderben, heißt es in der Erklärung der Organisation, doch es gelte festzustellen, dass „fünf Länder, die sich qualifiziert haben, große Feinde der Menschenrechte, von Demokratie und Freiheit sind“. Diese Staaten würden eine rote Karte für die „Folterungen, Gewaltakte und Scheußlichkeiten“ verdienen, die dort begangen werden. Illustriert wird die Kampagne gegen die fünf Länder mit einem Fußball, von dem Blut tropft. Eine Art gelbe Karte erhält im Übrigen das Gastgeberland Japan. Dort prangert „Reporter ohne Grenzen“ das System der „Kisha-Clubs“ als Hindernis der Pressefreiheit an, wichtige offizielle Presseklubs, von denen freie Journalisten und ausländische Korrespondenten ausgeschlossen sind.

Die Auswahl der Rotsünder basiert auf der aktuellen Liste von „Verfolgern der Pressefreiheit“, wie sie die Organisation jedes Jahr publiziert. Darauf finden sich 38 Personen, darunter eine Reihe von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern. Zu den „Predators of press freedom“ gehört zum Beispiel Prinz Abdullah Ibn al-Saud, der in Saudi-Arabien eine strenge Zensur des Internets sowie der gesamten Medien des Landes betreibt und missliebige Journalisten streng disziplinieren lässt.

Ein weiterer Predator ist Chinas Staatschef Jiang Zemin, in dessen Land es zuletzt wieder ein Welle der Repression gegen kritische Journalisten gegeben hat. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin steht auf der Liste. Nicht nur in Tschetschenien sind Restriktionen gegen Medienvertreter, die systematische Einflussnahme des Staates auf Presseorgane sowie physische Angriffe bis zum Mord an der Tagesordnung. Tunesiens Präsident Ben Ali gehört ebenfalls zur illustren Gesellschaft. Die Presse des nordafrikanischen Landes ist praktisch gleichgeschaltet, wer sich nicht fügt, wird ins Exil getrieben oder verhaftet, wie im letzten Jahr die Journalistin Sihem Kalima, die wegen ihrer Kommentare für einen Londoner Fernsehsender sechs Monate im Gefängnis saß. Für die Türkei, wo letztes Jahr 50 Journalisten wegen ihrer Artikel vor Gericht mussten, 30 verhaftet und 20 misshandelt wurden, belegt Armeechef Huseyin Kivrikoglu einen Platz auf der Liste der Predators.

Knapp dem WM-Pranger entkommen ist die Ukraine durch eine unerwartete Niederlage in der Relegation, ungeschoren bleibt auch Spanien – trotz eines Listenplatzes. Den hat Reporter ohne Grenzen der ETA zuerkannt. MATTI LIESKE