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: JAN FEDDERSEN über deutsche und internationale Grand-Prix-Eurovision-Nachwehen

Typisch Ralph Siegel: Jetzt droht er mit Wortbruch

Der Jammer war groß am vergangenen Montag, nicht nur in deutschen Medien, in denen vornehmlich die Niederlage Ralph Siegels und seiner Corinna May verhandelt worden war. Die Dagens Nyheter in Schweden ereiferte sich ebenso wie die spanische El País, die dänische Berlingske Tidende, der Schweizer Tages-Anzeiger oder der Wiener Standard: Der Grand Prix Eurovision, so legten die Blätter fast einmütig nahe, sei in Tallinn wunderbar veranstaltet und von dort übertragen worden – aber auffällig, ja kummervoll ins Auge springend sei das nachgerade fein austarierte Abstimmungsverhalten der süd- und osteuropäischen Länder.

Nahe legen wollten sie damit, was seit gestern auch in der Genfer Eurovisionszentrale Gegenstand von Erörterungen ist: Wie kriegt man die Jurys kontrolliert, derer sich die meisten Länder bedienen, die eben im Ruf stehen, sich gegenseitig Punkte zuzuschanzen – die exjugoslawischen Länder plus Russland plus Rumänien zuvörderst? Sollte man denen Notare zuordnen, die nicht von den betreffenden Sendern bezahlt werden?

Noch ein Problem, vor dem die Schweiz, Dänemark und Österreich stehen: Sie müssen ihrer schlechten Ergebnisse von Tallinn wegen nun ein Jahr pausieren – und dafür sollen unter anderen Weißrussland und Albanien nachrücken. Darf das sein? Dass diese Eurovisionsklassiker zugunsten auch nicht gerade als demokratisch-transparent bekannter Nationen nur zugucken sollen? Was der Diskussionen, en passant, auch wohl noch braucht, ist der Umstand, dass die Livekommentatoren aus Schweden und Belgien übel gegen Israels Sängerin Sadid Hadad Stimmung gemacht haben: Der eine riet vom Votum für sie ab, der andere stellte scheinheilig fest, dass deren weißes Kleid nicht als Friedensangebot misszuverstehen sei. Das hat in jenen Ländern nicht einmal Entrüstung hervorgerufen.

In der deutschen Nachbetrachtung fiel zunächst die FAZ mit einem Leitartikel (!) der Seite 1 auf, mäkelnd, ja zürnend, dass die Qualität überhaupt misslich gewesen sei. Keine guten Texte, keine erhebenden Melodien: Aber weiß dessen Autor denn nicht, dass Österreich, beispielsweise, längst einen Text von Robert Menasse und eine Komposition von, sagen wir: Till Brönner (wenn auch als Deutscher) ins Rennen geschickt hätte, wenn sich mit dieser Melange nicht nur das Bildungsbürgertum, sondern auch die TED-Anrufer überzeugen ließen?

Ansonsten fielen die Medien, allen voran die hundeelend-heulende Bild, über Corinna May her, als sei sie über Nacht zum popmusikalischen Ramsch geworden. Dabei hatte gerade diese Zeitung für „unsere Corinna“ geworben, die „einen Mann sucht“ und „so toll singt“. Ist das nachtreterisch? Nein, das Gesetz der Schlagzeile, also der ambivalenten Gefühle in Großletter ausgedrückt. Ralph Siegel bekam auch sein Fett ab. Trotzig – und das ist sehr nobel, weil resistenzlerisch – drohte er allen Kritikern am 21. Platz: „Wer mich weiter fertig machen will, dem sage ich: Dann mache ich doch weiter.“ Also: Schluss mit Kritik!