Möllemann bleibt der Chef

Der FDP-Vorstand kann Jürgen Möllemann nicht zu einer Entschuldigung beim Zentralrat der Juden bewegen. Die Partei missbilligt Möllemanns Äußerungen als „Anlass für Missverständnisse“ und adelt Tabubrüche als „Pflicht zu neuem Denken“

BERLIN taz ■ Die FDP will weiter auf der Welle eines nebulösen Antisemitismus surfen. Dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle ist es gestern auch bei einer Krisensitzung des Parteivorstandes nicht gelungen, die Partei in dieser Frage auf einen klaren Kurs zu bringen. Jürgen W. Möllemann, wird sich nicht beim Vize des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, entschuldigen.

Eine „Berliner Erklärung“, die der Vorstand einstimmig beschloss, erläutert weitschweifig liberale Werte und das Ziel der FDP, bei der Bundestagswahl 18 Prozent zu erreichen. Zu Möllemann heißt es: „Wir missbilligen und bedauern, dass durch Äußerungen von Jürgen W. Möllemann Anlass für Missverständnisse entstanden ist.“ Nun sei es aber an der Zeit, die „Antisemitismusvorwürfe gegen unsere Partei“ zurückzunehmen.

Westerwelle sagte, seiner Meinung nach dürfe der Landtagsabgeordnete Jamal Karsli („weltweite zionistische Lobby“) nicht Mitglied der FDP-Fraktion in Nordrhein-Westfalen sein. Aber er habe darauf „schon der Verfassung wegen“ keinen Einfluss. FDP-Fraktionschef in NRW ist Möllemann.

Der Parteichef sagte weiter, „deutsche Politik dürfe nicht aus der historischen Verantwortung“ gerissen werden. Gleichwohl habe, „jede Generation das Recht und die Pflicht zu neuem Denken“. Westerwelle stützte damit indirekt Möllemann. Der hatte zuletzt die Wahlerfolge europäischer Rechtspopulisten wie Jörg Haider als „Emanzipation der Demokraten“ gefeiert.

Michel Friedman zeigte sich enttäuscht. Ihn hatte Möllemann für wachsenden Antisemitismus verantwortlich gemacht. Westerwelle habe eine große Chance verpasst, Verantwortung wahrzunehmen, sagte Friedman.

Wie die taz aus Parteikreisen erfuhr, konnten auch über Möllemann erboste Altliberale wie Burkhard Hirsch im Vorstand keine klare Haltung der FDP erreichen. Der Bundestagsabgeordnete Hermann Otto Solms etwa richtete an Westerwelle und Möllemann die Frage, ob die Äußerungen des Parteivizes „ein abgekartetes Spiel“ zur Wahlwerbung gewesen seien. Darauf bekam er keine Antwort. Dagegen wurde Martin Matz, einer der schärfsten Kritiker des Möllemann-Kurses, getadelt. CIF, AH

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