aber er hat immer gut gegessen von RALF SOTSCHECK
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Kamerun gegen Irland, welch Fußballfest bei der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea. Auf der einen Seite Exoten, fremde Kultur, wilde Riten. Auf der anderen Seite Kamerun.

Zwar hatte der Kabarettist Dieter Nuhr diesen Vergleich auf Österreich gemünzt, aber am Samstag passte er besser auf Irland. „Bananenrepublik“, hatte der englische Daily Mirror angesichts des Streits um Roy Keane getitelt. Was weiß ein englischer Schmutzkübel schon von irischer Flora? Irland ist eine Kartoffelrepublik. Keane, einziger irischer Spieler von Weltklasse, hatte seinem Trainer Mick McCarthy bescheinigt, er sei ein Scheißspieler gewesen, er sei ein Scheißtrainer und nichts als ein blöder Wichser. McCarthy nahm das persönlich und schickte Keane vor dem Spiel gegen Kamerun heim. Seitdem gibt es in den irischen Medien kein anderes Thema.

Ich musste mir das Match in einer irischen Kneipe in Berlin ansehen, weil die Piloten von Aer Lingus streikten und ich festsaß. Mit dabei waren der Kreuzberger Kleinverleger Klaus B., der Kollege Michael R. und die Irin Maire O., die einen Kameruner zwecks Belebung der Kneipenatmosphäre mitgebracht hatte. Er war sehr zurückhaltend, nur gelegentlich entfuhr ihm bei vergebenen Kameruner Chancen ein „Oh no“, was mit einem hundertfachen „Oh yes“ quittiert wurde.

Nach dem Kameruner Tor sinnierte Klaus B.: „Ob die Schotten wohl jetzt noch eine Chance haben?“ Bei Michael R. hatte sich das Klassenfahrtsyndrom eingestellt: auf der ersten Raststätte gleich eine Pause zum Essen und Saufen. Er bestellte sich das Sonderangebot, ein irisches Frühstück, zu dem neben Speck, Würsten, Eiern und gebackenen Bohnen auch ein großes Bier gehörte. Um halb neun morgens. Die meisten irischen Fans dagegen orderten das Sonderangebot ohne Frühstück, und nach dem irischen Ausgleich dachte niemand mehr ans Essen.

Außer Michael R. Der Deutschlandfan freute sich über das fürs deutsche Team angeblich günstige Unentschieden zwischen den Rivalen und holte sich eine große Portion Irish Stew. „Es ist ja schließlich eine Frühstücks-WM“, sagte er. „Wenn ich Bier trinke, bekomme ich immer Hunger.“ Zum rustikalen Holzfällergetrete zwischen Dänemark und Uruguay gab es Kuchen mit Sahne, bevor das Spiel Deutschland gegen Saudi-Arabien mit einem Nudelauflauf eingeläutet wurde. Auf seinem Grabstein, das habe R. testamentarisch verfügt, werde stehen: „Aber er hat immer gut gegessen.“

Und getrunken. Als das achte Tor für Deutschland fiel, bemerkte R. überrascht: „So ein Zufall, jetzt habe ich genauso viele Biere getrunken, wie die deutsche Mannschaft Tore geschossen hat.“ Kurz darauf wurde klar, dass das deutsche Team an diesem Tag nicht mit R., der zum Abschluss einen Gurkensalat vertilgte, mithalten konnte. Kolumnist Wiglaf D., der mit sechsstündiger Verspätung zur Halbzeit des letzten Spiels eingetroffen war, monierte zu Recht, dass Schneider mit seinem Tor zum 8:0 die schöne Schlagzeile kaputtgemacht habe: „Sieben auf einen Scheich.“