big in japan
: FRANK KETTERER im Land des Lächelns

Klischees bis zum Gehtnichtmehr

Nach langem Warten und mindestens ebenso langer Anreise ist das große Fußballfest im fernen Osten Asiens jetzt also tatsächlich losgegangen, und schon gleich zu Beginn hat sich so ziemlich alles bestätigt, was man über den Japaner an sich bisher gehört hat und zu wissen glaubte: Nicht sonderlich groß und mächtig von Statur, dafür aber immer freundlich, stets ein nettes Lächeln auf dem Gesicht, sich mindestens hundert Mal am Tag verbeugend und hilfreich bis zum Gehtnichtmehr.

Nun ist es mit Klischees ja immer so eine Sache, und ganz bestimmt legt auch der gemeine Japaner irgendwann einmal sein Dauerlächeln ab und ist nicht mehr nett und freundlich, sondern schaut zur Abwechslung mal für ein Viertelstündchen grimmig drein, zum Beispiel wenn er von Arbeit und japanischem Großstadtdschungel nach Hause kommt und der Kugelfisch noch nicht fertig auf dem Tisch steht. Dann schmollt bestimmt auch der Japaner-Mann, schimpft ein wenig die Japaner-Frau – und lächelt dann doch wieder, ist freundlich und nett, was zum einen ganz sicher besser ist an einem Tag, an dem die Japaner-Frau Kugelfisch gekocht hat; und weil der Japaner zum anderen halt doch nicht anders kann.

So ein Klischee ist einfach etwas Wunderbares, weshalb sich diese Kolumne heute ausdrücklich der Klischee-Pflege verschrieben hat. Darin übt sich nämlich auch der gemeine Japaner emsig, zum Beispiel wenn es um Leben und Wirken des gemeinen Germanen geht. Wie man sich das so vorstellt im Land des Lächelns, ist in einem kleinen Filmchen zu sehen, das das japanische Fernsehen immer dann ausstrahlt, wenn Rudis wackere Recken irgendwo antreten müssen bei dieser Weltmeisterschaft, man will bei Nippons schließlich wissen, wem man da gerade zuschaut beim Rumpelfüßeln. Im Mittelpunkt des Streifens: Ein deutscher Bäcker, der ausführlich die Kunst des Brötchenbackens erklärt und: jede Menge Bilder vom Münchner Oktoberfest, stämmigen Bedienungen im Dirndl sowie überschwappenden Maßkrügen rund um die aus dem Mieder hervorquellenden Brüste der eingeschnürten Maiden.

Liebe Japaner: Klischees sind Scheiße! So sind wir nicht! So sind die Menschen nur in Bayern! Bitte, seid freundlich und nett, nur dieses eine Mal noch, und glaubt nicht, dass alle Deutschen so sind wie ihr sie da gefilmt habt. Als Gegenleistung würde ich mich, stellvertretend für die taz und Deutschland, mein Heimatland, bereit erklären, stets freundlich zu sein, immer zu lächeln und mich fortwährend zu verbeugen, für immer und ewig. Oder zumindest in den nächsten vier Wochen.