Pappkamerad mit Schal

Englands schwedischer Coach Sven-Göran Eriksson ist nicht übermäßig traurig nach dem 1:1 gegen sein Heimatland, und auch die schwedischen Fans nehmen dem Landsmann das Remis nicht übel

aus Saitama FRANK KETTERER

Dieses Spiel haben sie also alle herbeigesehnt, die Fußball lieben, drüben auf der Insel, auch natürlich droben in Skandinavien. Und als Schiedsrichter Carlos Simon aus Brasilien die mittelklassige Partie nach leichter Überlänge abgepfiffen hatte, versammelten sich Engländer und Schweden im Mittelkreis, tauschten die Trikots und klopften sich einander anerkennend auf die Schulter: 1:1, gut gemacht, Glückwunsch auch! Dann verschwanden die Briten schnurstracks in den Katakomben, während die Schweden hinüberpilgerten zur Kurve, in der die blau-gelben Fähnchen an der Bande hingen, und sich dort von den Fans feiern ließen. Und in diesem Moment wusste man, dass das Spiel trotz des Unentschiedens einen Sieger gefunden hatte – und dass dieser Sieger Schweden hieß.

Natürlich wurde kurz darauf zu diesem Sachverhalt auch Sven-Göran Eriksson vernommen, der gefasst auf die Fragen der Journalisten wartete und sie ebenso gefasst beantwortete: Ja, „es ist ein gerechtes Unentschieden.“ Ja, „England hat in der ersten Halbzeit klar besser gespielt“. Aber eben nur eine Halbzeit lang. „Da hat jeder gedacht, dass wir gewinnen“, sagte Eriksson – und natürlich meinte er damit sich und England, was ganz so selbstverständlich auch wieder nicht ist, weil Eriksson von Hause aus doch eigentlich Schwede ist und die englische Nationalmannschaft noch keine zwei Jahre lang betreut.

Krumm genommen haben sie ihm das im hohen Norden aber nicht, ganz im Gegenteil: Es soll sogar Schweden gegeben haben, die bereits vor der Partie mit einem Remis zufrieden gewesen wären, eben wegen des smarten Herrn Eriksson, was einiges aussagt über dieses Verhältnis. Denn selbstverständlich ist es nicht, dass einer immer noch geliebt wird, obwohl er sein Land verlassen hat und übergelaufen ist zum Feind. Bei Eriksson freilich ist das etwas anderes, bei ihm ist das Volk sogar noch stolz darauf: dass ausgerechnet ein Schwede im Mutterland des Fußballs eben diesen lehren darf. Und selbst dass er vor der Partie angekündigt hatte, Schweden unbedingt schlagen zu wollen, hat man ihm in der Heimat nicht übel genommen, sondern ihn trotzdem mitgeschleppt als Pappkameraden, mitten hinein in den Schweden-Block, und ihn dort auch noch mit einem Schal verziert.

Unter solchen Voraussetzungen ist das 1:1 ganz bestimmt ein gutes Ergebnis, gerecht ist es, da kann man Eriksson nur zustimmen, ohnehin. Zwar musste man sich in der ersten Halbzeit zwischendurch um die Kicker aus dem hohen Norden ein wenig sorgen, weil England phasenweise ein ziemlich schnelles Powerplay aufzog; im zweiten Durchgang aber hatten die Schweden ihre Ordnung wiedergefunden, was in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen ist, weil taktische Disziplin als das große Plus dieser mit zwei Viererketten operierenden Mannschaft gilt. So mag England zwar über die individuell besseren Spieler verfügen, allen voran Superstar David Beckham, dessen Eckball Sol Campbell nach 24 Minuten zum 1:0 einköpfelte und dessen Kräfte nach längerer Verletzungspause immerhin für gut eine Stunde reichten. Nimmt man aber die mannschaftliche Organisation als Bewertungsmaßstab, sind die vom Trainerduo Lars Lagerbäck und Tommy Söderberg betreuten Schweden den Engländern mindestens ebenbürtig. „In der zweiten Halbzeit sind wir zu unserem Spiel zurückgekehrt“, sagte entsprechend Schweden-Coach Lagerbäck – und meinte damit: „Da haben wir wieder kontrolliert gespielt“ – und folgerichtig in der 73. Minute durch Andreas Alexandersson den Ausgleich erzielt, der freilich von der wackeligen Hintermannschaft der Engländer, namentlich von Danny Mills, begünstigt wurde.

Sven-Göran Eriksson hat sich in diesem Moment die Haare gerauft, sie haben das auf der Videoleinwand im Stadion in Großaufnahme gezeigt und sogar ein paar Mal wiederholt. Später aber erweckte der smarte Herr E. dann den Eindruck, als könne er mit dem Unentschieden ganz gut leben. Schließlich ist und bleibt auch er tief in seinem Herzen – ein alter Schwede.