„Kunst bleibt verletzbar“

Komplette Sicherung unmöglich: Giacometti-Diebstahl in der Kunsthalle während der „Langen Nacht der Museen“ wird keine Flughafen-artige Bewachung zur Folge haben

Es ist fast schon zynisch: Da bemühen sich artgenda-Organisatoren, den Museen in puncto Sicherheit mehr Flexibilität zu entlocken – und prompt erweist sich die Abschottung als unwirksam: Eine 32 Zentimeter hohe Giacometti-Figur, einer von weltweit sechs Bronzeabgüssen, haben in der „Langen Nacht der Museen“ am 25./26. Mai Unbekannte gestohlen. Stattdessen haben sie eine Holzkopie in die Vitrine gestellt.

Bemerkt wurde der Diebstahl bereits am 26. Mai, doch wegen laufender Ermittlungen schwieg die Kunsthallen-Leitung bis gestern. Die Untersuchung der Fingerabdrücke habe bislang nichts erbracht, erklärt Polizeisprecher Reinhard Fallak. „Auch ist kein Tätermuster auszumachen. Denn ein Diebstahl dieser Figur macht wenig Sinn, da sie aufgrund ihrer Nummerierung und ihres Gießerstempels auf dem offiziellen Kunstmarkt nicht absetzbar ist. Um einen Verkauf zu verhindern, haben wir das Foto außerdem in nationale und internationale Fahndungslisten eingestellt.“

Zusätzliches Kontrollinstrument ist die Datenbank „artlost“, in welche die Kunsthalle die vermisste Figur eingegeben hat. Sollte sie irgendwo versteigert werden, ließe sich anhand dieser Datenbank die tatsächliche Herkunft klären. Weitere Hoffnungen richten sich jetzt auf Hinweise aus der Hamburger Bevölkerung.

Platziert war die Figur, die rund 500.000 Euro wert ist, im Hamburger Gang, den in jener Nacht pro Stunde rund 1.000 Menschen passierten. „Eine Massenansammlung, die sowohl Diebstahl-Chance als auch soziale Kontrolle bietet“, so Kunsthallen-Geschäftsführer Tim Kistenmacher. Die Konsequenz? „Adhoc würde ich sagen: keine Teilnahme an Museumsnächten mehr. Aber das ist eine spontane Reaktion, die keine Grundsatzdiskussion ersetzt. Denn man kann die Kunsthalle natürlich künftig wie einen Flughafen bewachen. Oder man stellt nur noch Kopien auf. Aber in beiden Fällen gäbe es keine entspannte Begegnung mit der Kunst mehr.“

Auch ein unendlicher Ausbau der Technik sei nicht möglich: „Alarmanlagen für solche relativ leichten Figuren würden auch auf jeden vorbeifahrenden Zug reagieren. Dann hätten wir hier dreimal täglich Fehlalarm. Deshalb haben wir uns für eine Mischung aus technischer und menschlicher Bewachung entschieden. Aber hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Denn Kunst lebt auch davon, dass sie verletzlich ist.“ Petra Schellen

Hinweise an jede Polizeidienststelle oder ans LKA. Tel.: 040 - 4286 56 789