Langes Pfeifkonzert

Auf der Personalversammlung der Gesamtschulen entladen 800 LehrerInnen ihren Unmut über die geplanten Stellenstreichungen und fordern den Rücktritt des Senators. Schon in vier Wochen sollen Versetzungspläne vorliegen

von SANDRA WILSDORF

Mit Pfiffen und Buh-Rufen begrüßten sie ihn, mit Pfiffen und Buh-Rufen geleiteten sie ihn auch wieder nach draußen aus dem großen Hörsaal im Uni-Hauptgebäude: Etwa 800 GesamtschullehrerInnen bereiteten Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) bei ihrer Personalversammlung gestern einen wenig herzlichen Empfang. Für den von Lange öffentlich demontierten Landesschulrat Peter Daschner gab es hingegen demonstrativen Beifall, ebenso wie für Gert Rauschning, in der Behörde Abteilungsleiter für Gesamtschulen. „Die Kolleginnen und Kollegen haben gemerkt, dass hier eine Sparpolitik auf dem Rücken der leitenden Beamten exekutiert werden soll“, interpretierte Ilona Wilhelm, Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Die Gesamtschul-Pädagogen wollten aber nicht nur Dampf ablassen über die geplanten 10,3 Prozent Stellenstreichungen, sondern von ihrem Chef auch wissen, warum er ausgerechnet ihre Schulform so zur Ader lässt. Klare Antworten bekamen sie nicht. Da war viel vom Sparen müssen und von den chaotischen Verhältnissen die Rede, die der alte Senat dem neuen vererbt habe. Und Lange betonte, dass die Kürzungen nicht ideologisch begründet seien – geglaubt hat ihm das niemand. „Die Gesamtschulen sind auch nach der Reduzierung in ihrer Ausstattung noch an der Spitze in Deutschland“, sagte er. Die Einsparungen bei der Schulform seien insofern nur Anpassungen, die „unangenehm, aber notwendig“ seien.

Voraussichtlich 128 Stellen werden von den Gesamtschulen abgezogen, das entspricht 180 Menschen. Die meisten von ihnen werden an Haupt- und Realschulen versetzt, etwa ein Drittel an Gymnasien. Bereits bis übermorgen sollen die aufnehmenden Schulen „Landeplätze“ melden. Am Freitag dann gibt es eine Konferenz mit den Schulleitern. Wer wohin kommt, soll bis zum Ferienbeginn in vier Wochen feststehen. „Da wird der Personalrat natürlich widersprechen“, kündigte Bernhard Nette, Leiter Personalrat Gesamtschulen, an.

Mit Emotionen zwischen Wut und Resignation kamen die LehrerInnen aus der Versammlung: „Der Lange scheint imprägniert gegen alles, der hat sich ja nicht einen Millimeter bewegt“, stellte ein Lehrer konsterniert fest. Ein Kollege freute sich über die Zwischen-den-Zeilen-Kritik von Landesschulrat Daschner, die Entscheidung sei so gefallen, weil die Politik sie so gefällt habe. „Damit hat er so viel Kritik geübt, wie sich mit dem Loyalitätsgebot vereinbaren ließ.“ Zwei Lehrerinnen konstatierten: „Peinliche Veranstaltung und nur fadenscheinige Argumente.“ Und eine andere empörte sich: „Dem geht es gar nicht um Bildung, nicht um PISA und auch nicht um die jungen Menschen, der will die Gesamtschulen abschaffen.“ Aber auch von „totaler Demotivation“ war die Rede. Und eine Kollegin malte sich aus, was die Umsetzungen für ihre Schule bedeuten: „Jede Versetzung gegen den Willen ist doch ein Schicksalsschlag. Und das müssen die Schulleitungen auch noch durchführen. Das ist doch absolut unpädagogisch.“ Sie sieht nach den Ferien das „absolute Chaos auf Lehrer, Eltern und Schüler zukommen.“

Die Personalversammlung verabschiedete mehrere Resolutionen, die sie anschließend demonstrativ zum Rathaus brachte. Darin fordern sie Lange zum Rücktritt auf und wehren sich gegen die drastischen Kürzungen. Die LehrerInnen richten sich außerdem an die Öffentlichkeit und weisen darauf hin: „Diese Bildungspolitik richtet sich gegen die übergroße Mehrheit unserer Stadt.“