Wilhelminische Zustände

Das Landesamt für Verfassungsschutz bekommt Verstärkung. Arabischkenntnisse sind nicht Bedingung für eine Bewerbung bei den Observanten, aber Islamisten sollen ihr Ziel sein

Stellenausschreibungen der Bremer Verwaltung sind dieser Tage ja eher eine Seltenheit. So richtig aus dem Vollen schöpfen kann derzeit eigentlich nur ein Amt: das für Verfassungsschutz. Insgesamt dreizehn Posten werden neu besetzt, dazu vier vakante Stellen wiederbesetzt. Außerdem ist das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) von der Kürzungs-Quote im so genannten „Personalentwicklungsplan“ (PEP) für den öffentlichen Dienst ausgenommen.

Diese komfortable Lage „verdanken“ die Geheimdienstler Mohammed Atta und Co.: Nach dem 11. September beschloss die Bremische Bürgerschaft ein „Anti-Terror-Paket“, dessen Hauptnutznießer das LfV ist. Amtsleiter Walter Wilhelm findet den üppigen Zuwachs dennoch „nicht gewaltig“. Schließlich sei seine Behörde in den vergangenen Jahren systematisch kaputtgespart worden. Von einstmals 90 Stellen waren vor dem 11. September gerade mal 35 übrig geblieben. Wilhelm weiß, wovon er spricht, ist er doch seit 20 Jahren Amtsleiter und kann sich an bessere Zeiten erinnern. Scherzhaft nennt er sich den „wahrscheinlich dienstältesten Geheimsdienstchef der Welt“.

Und noch mehr Rekorde machen das Amt nach Wilhelms Ansicht Guinness-Buch-verdächtig: „Es ist wohl weltweit die kleinste Behörde dieser Art“, sagt der Verfassungsschützer.

Das mag für den kleinsten Bundesstaat der Welt ja noch angehen. Aber: Außer Wilhelm selbst arbeitet im Amt kein einziger Akademiker, geschweige denn ein Jurist – und das „obwohl die Rechtsmaterie ohne Ende ausgeweitet wurde“. Ein Manko, das sich nicht aus der Bremer Bevölkerungsstruktur ableiten lässt, und das bald Vergangenheit sein wird: Ein Jurist als Verstärkung ist schon sicher. Ein Politologe soll auch kommen, wenn alles gut geht sogar mit Nebenfach Islamwissenschaft.

Aber das Gros der neuen Schlapphüte soll auf der Straße arbeiten. Acht SachberabeiterInnen/ObservantInnen werden gesucht, dazu einE TruppführerIn und einE ObservationsgruppenleiterIn. Wegen ihrer „Unterrepräsentanz“ in diesem Bereich werden Frauen bevorzugt. Das Anforderungsprofil ist für alle drei Hierarchiestufen fast dasselbe. Unter anderem sollen die künftigen Geheimen Diplomverwaltungswirte sein oder ein vergleichbare Qualifikation besitzen, um das Bildungsniveau der Behörde zu heben. Erwünscht ist außerdem Observationserfahrung. Eigentlich können die Aspiranten nur von der ebenfalls um neues Personal werbenden Polizei kommen.

Abwerben will Wilhelm aber nicht: „Dagegen haben Geheimdienste und Polizeien ein Abkommen“, sagt er, „aber vielleicht gibt es ja jemanden in Nordrhein-Westfalen, der aus privaten Gründen nach Bremen wechseln möchte“. Dessen Erfahrung würde er dann schon mitnehmen. Schließlich wird mit dem Observationstrupp eine Abteilung aufgebaut, die es in Bremen bisher gar nicht gab. „In den letzten Jahren hat in Bremen niemand observiert“, beteuert Wilhelm, und fügt vorsichtig einschränkend hinzu: „Jedenfalls nicht unter meiner Verantwortung“. Man weiß ja nie so genau, was Schilys Leute tun ...

Bis das professionelle Observieren jetzt wieder losgehen kann, wird noch ein wenig Zeit ins Land gehen. „Frühestens im Herbst werden wir so weit sein“, schätzt Wilhelm, die Neuen müssten erstmal intern fortgebildet werden. Nach Arabischkenntnissen ist in den Ausschreibungen übrigens nicht gefragt. „Die sollen ja auch vor allem die Augen offen halten, nicht so sehr die Ohren“, erklärt der Amtschef. Klar sei aber, dass sich die Observanten vor allem um islamischen Extremisten kümmern sollen.

„Das ist der eindeutige Auftrag von Bürgerschaft und Parlamentarischer Kontrollkommission“, sagt Wilhelm. Natürlich müsse man auf die jeweils aktuelle Bedrohungslage flexibel reagieren, aber dass sein Observationstrupp sich nun im großen Stil linke Infoläden vorknöpft, das, so Wilhelm, „sehe ich derzeit nicht“. Jan Kahlcke