300 neue Möllemänner

FDP-Vize verkündet zahlreiche Neumitglieder in seinem nordrhein-westfälischen Landesverband

BERLIN taz ■ „Haben wir heute schon eine Regel gebrochen?“, war im letzten Landtagswahlkampf des Jürgen Möllemann die tägliche Kontrollfrage seines Managers Fritz Goergen. Möllemann, dem gerade mehrere FDP-Politiker wie das Präsidiumsmitglied Martin Matz empfohlen hatten, „mal ein paar Tage gar nichts zu sagen“, befolgt die Goergen-Devise nach wie vor. Gestern verkündete er, dass seit Anfang Mai 300 Aufnahmeanträge die FDP in Nordrhein-Westfalen erreicht hätten. „Die intensive Debatte über die Nahostpolitik und die Kritik von Michel Friedman an der FDP haben den Freien Demokraten offenbar nicht geschadet“, triumphierte der NRW-Chef. Offen blieb allerdings, ob sich die Eintrittszahlen nach seinen Anwürfen gegen Zentralratsvize Friedman, die erst Mitte Mai erfolgten, verändert haben.

Die gesamte FDP verzeichnete seit ihrem Parteitag Mitte Mai etwa 1.400 Anträge auf Mitgliedschaft. Das ist ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Das Gros der diesjährigen Eintritte sei während des Parteitages erfolgt, erklärte ein Sprecher – und damit zu einer Zeit, als die Auseinandersetzung um die Zusammenarbeit mit dem Abgeordneten Jamal Karsli, der mit antiisraelischen Äußerungen in die Kritik geraten war, gerade erst begonnen hatte.

Montagabend wollte der NRW-Landesvorstand entscheiden, ob und in welcher Form er weiterhin mit Karsli zusammenarbeitet. FDP-Chef Guido Westerwelle und der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher wollten an der Sitzung teilnehmen und darauf hinwirken, dass Möllemann die Zusammenarbeit beendet. Unterdessen mehrt sich die Kritik an Möllemann und Westerwelle. Bundeskanzler Gerhard Schröder gesellte sich zu denen, die eine Entschuldigung der FDP gegenüber dem Zentralrat der Juden forderten. Möllemann hatte behauptet, Friedman sei für den Antisemitismus in Deutschland mitverantwortlich. Über hundert Publizisten und Schriftsteller unterzeichneten eine Solidaritätserklärung für Michel Friedman. Die Jüdische Gemeinde Berlin ruft für Mittwoch zu einer Demonstration vor der FDP-Zentrale in Berlin auf.

HEIDE OESTREICH

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