Laufende Philosophie

„Never give up“ – nach diesem Motto umrundet der Ultramarathonläufer Achim Heukemes 930 Mal die Binnenalster für einen neuen Weltrekord

von HELENE BUBROWSKI

„Im Auto mit sechs Airbags ist man mit niemandem verbunden, beim Laufen dagegen ist man eins mit seinen Gedanken und der Natur“, sagt Achim Heukemes, während er sich mühsam an den Passanten rings um die Binnenalster vorbeidrängelt. Die 750. Runde hat er schon geschafft, es fehlen noch 300 km, um den 14 Jahre alten Weltrekord von 10 Tagen und 10 Stunden zu brechen. Die vom Deutschen Ultramarathon Verband DUV vermessene Strecke beträgt genau 1731 Meter und wird von Heukemes in 10 Minuten zurückgelegt.

„Ein Weltrekord braucht eine Weltstadt“. Vom 27. Mai bis 6. Juni darf der magere Bayer das schöne Panorama der Innenstadt genießen, das ihn veranlasst hat, nach Hamburg zu kommen.

„Man ist geboren, um sich zu bewegen“, so erklärt er sein wahnsinniges Unterfangen: Mehr als 160 km läuft der 51-Jährige pro Tag und schläft höchstens zwei einhalb Stunden. Dazwischen gestattet er sich hin und wieder mal eine Verschnauf- und Esspause. Trotz Sahnetorte und Eiskaffee habe er schon drei bis vier kg abgenommen. Doch eine Gefahr für die Gesundheit gäbe es nicht, er habe ja schließlich trainiert. „Der Wille besiegt den Körper“ – blutige Füße verbindet er genauso wie er Blasen an der Fußsohle aufsticht.

Und für Notlagen hat er eine Trösterin: Lebensgefährtin Eva Janele steht immer im Wohnwagen vor dem Hotel „Vier Jahreszeiten“ parat, um ihrem vorbeijoggenden Geliebten ein Häppchen oder Kraftriegel zu reichen. Sie selber schaffe allerdings „nur zehn Kilometer am Stück“, begleite das Training ihres Freundes auf dem Fahrrad. „Er ist immer gut gelaunt und man kann mit ihm auskommen. Allerdings muss man sportlich sein.“ Und dass sie es ist, zeigen allein schon Turnschuhe und Trainingsjacke.

Der Ergeiz ist nicht allein der Motor, der den Rennprofi immer weiter laufen lässt. Er will „ für Leute laufen, die nicht mehr laufen können“ und gibt so dem Ganzen noch den Flair von Wohltätigkeit. Für zehn Euro kann für jeden seiner 1600 km eine Patenschaft übernommen werden. Das Geld kommt der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zu. Doch die Patenkinder sind schwer zu vermitteln: Erst zwei Spender haben Geld überwiesen. Infos zu Kilometerpatenschaften gibt es bei Cristel Hartlef unter ☎ 422 44 33. Überweisungen gehen auf das Konto 1011 246 111 bei der Haspa (BLZ 200 505 50).

Ganz andere Popularität genießt der Sportler bei Passanten: „Die winken mir zu und feuern mich an.“ In Gespräche dürfen sie ihn allerdings nicht verwickeln, denn für Starallüren ist keine Zeit. Die Kilometerzahl kennt keine Gnade. „Wenn ich es könnte, würde ich es auch machen“, gibt eine Passantin zu. Das Ganze sei „phänomenal und idealistisch“. Ein Geschäftsmann ist weniger enthousiastisch: „Man sagt ja, Extremsportler müssten irgendetwas kompensieren.“ Und das klingt einleuchtender als Heukemes philosophisches Statement: „Ich will laufend meine Grenzen erweitern.“