Endspurt vor Nahostkonferenz

US-Präsident Bush lädt israelischen Premier zum sechsten Mal ins Weiße Haus ein. Führende Vertreter aus arabischen Ländern besuchen Washington noch in dieser Woche. CIA-Chef Tenet berät mit Arafat und Scharon über palästinensische Reformen

aus Jerusalem ANNE PONGER

Überraschend ist der israelische Regierungschef Ariel Scharon erneut nach Washington eingeladen worden, wo er Präsident George W. Bush am Montag im Weißen Haus treffen soll. Mit Blick auf die vermutlich noch im Juli stattfindende Nahostkonferenz berät sich Bush diese Woche noch mit den Führungen der angrenzenden Staaten Ägypten und Syrien. In der Westjordanstadt Hebron war am Dienstag nach einer erneuten israelischen Invasion ein 16-jähriger Palästinenser erschossen worden.

Scharon hatte seinen letzten Washington-Besuch wegen eines erneuten Selbstmordattentats bei Tel Aviv Anfang Mai spontan abgebrochen. Das Bush-Scharon-Treffen wird diesmal unmittelbar den Konsultationen zwischen dem amerikanischen und dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak im Gästehaus Camp David in Maryland folgen. Zuvor hatte sich Bush mit dem saudischen Kronprinzen Abdallah und dem jordanischen König Abdallah beraten. Ebenfalls nächste Woche ist Syriens Außenminister Faruk Schara in Washington angesagt. Sein Besuch fällt mit Syriens Übernahme der im Monatstakt rotierenden UNO-Sicherheitsratspräsidentschaft zusammen. Schara wird Syriens Mithilfe im Anti-Terror-Krieg versichern und gleichzeitig zu verhindern versuchen, dass eine Golan-Lösung über dem palästinensisch-israelischen Konflikt vergessen wird.

Am Dienstag wurde in Jerusalem heftig darüber gemunkelt, ob Mubarak eventuell Scharon – der schon am Freitag nach Washington fliegt – dort treffen könnte, und ob der kurzfristig geplante Scharon-Besuch die Pläne des syrischen Außenministers beeinflussen wird. Auf alle Fälle reflektiert die derzeitige US-Nahostdiplomatie das bisher umfassendste persönliche Engagement von Präsident Bush in den Friedensprozess.

Alles in allem sieht es so aus, als wollten die USA eine aktivere Rolle als bisher bei einer politischen Lösung des Nahostkonflikts spielen. Zu diesem Zweck war letzte Woche schon der stellvertretende Außenminister für Nahost, William Burns, zur Erörterung von Reformen in der palästinensischen Autonomieverwaltung zu Palästinenserchef Jassir Arafat entsandt worden. Auch der sich derzeit vor Ort aufhaltende CIA-Chef George Tenet beriet sich am Montag und Dienstag mit Palästinensern und Israelis vor allem über die Umstrukturierung palästinensischer Sicherheitsdienste. Die Israelis setzen Reformen für eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen voraus.

Eine palästinensische Kabinettsreform wird noch diese Woche erwartet. Arafat hatte sich zunächst einverstanden erklärt, die Zahl seiner Minister von 30 auf 19 herabzusetzen. Mittlerweile sprach er wieder von 24. Dafür muss er allerdings die Genehmigung des Legislativrates einholen. Während er offenbar einige Technokraten in die Regierung bringen möchte, um internationale und interne Forderungen nach mehr Transparenz zu erfüllen, verweigern Hamas, Islamischer Dschihad und radikale PLO-Gruppen erwartungsgemäß jegliche Regierungsteilnahme mit dem Argument, sie hätten sich bereits dem Oslo-Prozess widersetzt.

Die PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) protestierte überdies gegen die Entscheidung des palästinensischen Kabinetts von Montagabend, die Entlassung von Westjordanland-PFLP-Chef Achmed Saadat aus einem Gefängnis in Jericho rückgängig zu machen, wie es am Tag zuvor das Oberste Gericht in Gaza verfügt hatte. Israel macht den PFLP-Chef für den Mord an Tourismusminister Rechawam Seewi im vergangenen Oktober mitverantwortlich. Saadat war einer von sechs Palästinensern gewesen, die von Jassir Arafat während der Belagerung in seinem Hauptquartier in Ramallah geschützt wurden. Seit April saß Saadat, von britischen und US-Beobachtern kontrolliert, in Jericho in Haft. Israel hatte im Falle einer Entlassung Saadats dessen Liquidierung und die Abriegelung Jerichos angedroht.