off-kino Filme aus dem Archiv –Frisch gesichtet

Die Idee zu Disneys „Fantasia“ (1940) soll auf den berühmten Dirigenten Leopold Stokowski zurückgehen: Der hatte sich Ende der 30er-Jahre bereit erklärt, die Musik zu einer kurzen Trickverfilmung von Goethes „Der Zauberlehrling“ mit Mickey Mouse in der Titelrolle einzuspielen. Da sich Stokowski sehr für den Zeichentrickfilm begeisterte, versuchte er anschließend, Walt Disney für den Vorschlag zu gewinnen, einen ganzen Episodenfilm zu drehen, in dem klassische Musikstücke zeichnerisch illustriert werden sollten. Für den allen Innovationen gegenüber stets aufgeschlossenen Disney war „Fantasia“ erst der dritte abendfüllende Cartoon (nach „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ und „Pinocchio“) – und das Wagnis eines „erwachseneren“ Films sollte sich finanziell zunächst nicht auszahlen. Dem Publikum erschien das Unterfangen zu prätentiös, und die Kritiker waren in ihren Meinungen gespalten: Einige lobten den Einfallsreichtum der Disney’schen Animatoren, andere hielten es schlicht für ein Sakrileg, Musikstücke wie Beethovens Symphonie Nr. 6 „Pastorale“ oder Tschaikowskys „Nussknacker Suite“ bunt zu bebildern. Heute darf „Fantasia“ als eines der interessantesten und innovativsten Werke des Disney-Konzerns gelten: Die zeichnerische Bandbreite reicht von den Abstraktionen, die Bachs „Toccata und Fuge“ begleiten, über höchst Amüsantes wie die tanzenden Pilze („Nussknacker Suite“) und den Pas-de-deux einer Nilpferddame mit einem Krokodil („Tanz der Stunden“) bis zu klassisch Kitschigem (die „Pastorale“ als griechische Antiklandschaft). Und angesichts der Konzernpolitik einer ständigen Wiederaufführung der eigenen Meisterwerke hat „Fantasia“ im Lauf der letzten sechzig Jahre natürlich auch die Herstellungskosten längst wieder eingespielt.

„Fantasia“ 9. 6. im Filmmuseum Potsdam

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Erst kürzlich versuchte man bei Disney, mit dem gleichen Konzept („Fantasia 2000“) an den Klassiker anzuknüpfen, doch das große Geld wird längst anderweitig gemacht: etwa im Bereich der Computeranimation. Und weil man die Zeichen der Zeit erkannt hat, tat man sich bei Disney mit dem Pixar-Studio um den Produzenten und Regisseur John Lasseter („Toy Story“) zusammen. Pixars jüngster Streich „Die Monster AG“ führt den Zuschauer in eine Welt sympathischer Ungetüme, die jenseits der Wandschränke hausen, in denen kleine Kinder ihre Spukgestalten verorten. Überaus charmant und amüsant entwirft der Regisseur Pete Docter das Bild einer Monstropolis, deren Arbeitswelt die unsere haargenau widerspiegelt und karikiert: In den Werkhallen des Energieversorgungsunternehmens „Monsters, Inc.“ (Firmenmotto: „We scare, because we care!“) stehen Ungeheuer in den verschiedensten Formen, Farben und Konsistenzen bereit, um in die Menschenwelt überzutreten und Energie aus den Schreien erschreckter Kinder zu gewinnen. Unter ihnen befindet sich auch die Spitzenkraft James P. Sullivan, ein behörnter Riese mit grünlich-blau schimmerndem Fell, der plötzlich alle Hände voll zu tun bekommt, um ein zweijähriges Mädchen, das sich ins Monsterreich verirrt hat, wieder in ihre Welt zurückzuschaffen – was bei einigen Millionen archivierter Wandschranktüren gar nicht so einfach ist. Das ständige Auf und Zu der Türen, der Übertritt in immer neue Welten, ist der schönste Gag des an Humor nicht eben armen Films: Verfolgt vom bösen Monsterkonkurrenten Randall, landen „Sulley“ und sein Kumpel Mike in einem furiosen Finale auch schon mal beim Yeti in Nepal und bekommen Schwierigkeiten mit den Schiebetüren in Japan. Was „Die Monster AG“ vor allem auszeichnet, ist eine besondere Liebe zum Detail: Beinahe im Vorübergehen nimmt der Film eine Unmenge von urkomischen Gags mit – die einen im Übrigen auch gnädig darüber hinwegsehen lassen, dass die Story am Ende einen sentimentalen Schlenker zu viel macht.

„Die Monster AG“ 8. 6.–9. 6. im City Wedding; 6. 6.–12. 6. in der Passage 5 und im Sojus 1

LARS PENNING