„Gute Expansionsaussichten“

Aktieninstituts-Chef Rüdiger von Rosen erwartet trotz Börsenflaute Wachstumsimpulse für ethisch-ökologisches Investment in Deutschland

Interview REINER METZGER

taz: Wieso werben Sie so heftig für Aktien als private Anlage?

Rüdiger von Rosen: Nicht weil wir eine soziale oder kirchliche Organisation sind. Vielmehr müssen Sie die großen Zukunftsaufgaben sehen, die wir hierzulande haben. Das ist einerseits die private wie betriebliche Altersvorsorge. Dafür sind Aktien in entsprechender Streuung sehr gut geeignet. Genauso wichtig ist auch die Finanzierung der Wirtschaft mit Eigenkapital.

Sie meinen, ein paar Internetgründer bessern ihr eigenes Kapital auf Kosten der Anleger an den Börsen auf?

Überhaupt nicht. Die Aktie ist doch kein anderes Wort für Raffgier. Wenn Firmen über die Börse Eigenkapital einwerben, sind sie unabhängiger von Risiken als bei reiner Kreditfinanzierung und können große Investitionen tätigen. Das kommt letztendlich der gesamten Volkswirtschaft zugute. Die Kapitalaufnahme über die Börse ist deutschen Unternehmen derzeit aber praktisch verschlossen: Wir hatten im Jahr 2002 bislang nur drei Neuzugänge an den Börsen und im Gegenzug etliche Firmen, die aussteigen mussten. Die extremen Kursveränderungen mancher Werte oder der weitgehende Zusammenbruch des Neuen Marktes machen es allerdings schwierig, private Anleger derzeit an die Börse heranzuführen.

Wären wir besser gefahren, wenn es mehr ethisches Investment gegeben hätte?

Schon das Befassen mit Aktien und Unternehmen ist ein großer Schritt der Bewusstseinswerdung – insofern ist die Tendenz, sich Gedanken über ethische Kriterien zu machen, zukunftsweisend. Allerdings: Nach einer Studie des Imug-Instituts investieren nur 0,7 Prozent der deutschen Anleger letztendlich in ökologische Fonds. Wir haben es also noch mit einem echten Nischenmarkt zu tun, wenn auch mit guten Expansionsaussichten. In den USA wird bereits jeder zehnte Dollar nach ethischen Kriterien angelegt, und weltweit wird mit einem Wachstum des „Social Responsible Investment“ von zwischen 30 und 40 Prozent im Jahr gerechnet.

Gibt es umgekehrt auch die Tendenz bei Firmen, ethische Kriterien zu stärken?

Das Thema wird durch die Entwicklung eines generellen Bewusstseins dafür erheblich gefördert. Wenn ein Unternehmen seinen Energie- oder Wasserverbrauch drastisch senkt, hat das ja auch betriebswirtschaftliche Vorteile. Nehmen Sie die Firma Henkel mit ihren Waschmitteln. Die haben die Belastung der Umwelt durch ihre Produkte sehr früh drastisch gesenkt. Das ist ethisch-ökologisch richtig und rentabilitätsmäßig keineswegs falsch. Ich finde, wir sind da auf einem extrem guten Weg. Wir wollen ja bei der Ökogeldanlage weg vom „Sandalen-und-Schlabberpulli-Image“.

Wie kriegen Sie nun den kleinen Mann wieder an die Börse?

Ich will gar nicht leugnen, dass hier vieles im Argen liegt. Der Privatanleger muss wissen, dass sich das Instrument Aktie fortwährend weiterentwickelt. Er braucht ein transparentes Investment, beispielsweise für die Alterssicherung. Wir diskutieren das mit großen Gesellschaften und institutionellen Anlegern. Das Image der Aktie hat extrem gelitten. Teilweise ist das allerdings auch auf kriminelle Faktoren zurückzuführen. Solche Personen müssen härter bestraft werden, als wir das in letzter Zeit gesehen haben: Ich finde es absolut unbefriedigend, wenn ein Kim Schmitz mit lächerlichen 100.000 Euro Strafe davonkommt, nachdem er bei einem Insiderhandel 1,1 Millionen Euro gewonnen hat. Und wenn ein Herr Haffa bei EM.TV unrechtmäßig 20 Millionen Euro macht, weil er seine Firmenanteile früher verkauft als erlaubt, kann es nicht angehen, dass er sich hinterher eine Yacht kauft und das Segeln genießt. Man muss diesen Leuten ihre unrechtmäßigen Gewinne wegnehmen.

Was ist konkret zu tun?

Die Anleger müssen sich auf bestimmte Rahmendaten verlassen können. Wenn ein Wirtschaftsprüfer eine Bilanz testiert, muss das stimmen. Wenn ein bekannter Fernsehmoderator in einer Sendung eine bestimmte Aktie vorstellt, dürfen nicht heimlich persönliche Interessen mit im Spiel sein. Kein Wunder, dass hier eine Stimmung entsteht, die negativ gegenüber der Aktie ist. Da müssen wir gegensteuern.

Aber es geht nicht nur um kriminelle Aktionen. Es gibt genügend Firmen, die von großen Banken mit glänzenden Emissionsprospekten an die Börse gebracht wurden und deren Kurs nun im Pfennigbereich gelandet ist. Das macht den Anleger ja auch nicht unbedingt froh.

Das ist richtig. Wobei ich glaube, dass dabei eine Vielzahl von Berufsgruppen in einer Euphorie zusammengewirkt haben. Und der Privatanleger hat dem Hochglanz vertraut – ob nun von Analysten, Gurus oder Jounalisten produziert. Als eine der Lehren daraus fordere ich deshalb ein eigenständiges Schulfach Wirtschaft. Die Bevölkerung muss eine Sensibilität für Risikounterschiede erwerben: Wenn ich 40 Prozent Rendite verspreche, ist das Risiko normalerweise höher als bei zwei Prozent. Die Leute müssen diversifizieren lernen. Es wäre ja auch Quatsch, alles in Aktien zu investieren.

Bringt es eine Verbesserung, wenn mehr Kleinanleger und Fonds ihr Geld nach ethischen Kriterien anlegen?

Ich glaube: ja. Da steht schon mal grundsätzlich positiv das intensivere Befassen mit der Produkt- und Dienstleistungspalette eines Unternehmens sowie dessen Strategie. Es gibt aber noch große Defizite zur Thematik sowohl bei Anlegern als auch professionellen Beratern. Deshalb begrüße ich es auch, dass sich nun die Großbanken eines solchen Themas annehmen. Ich erwarte mir davon Wachstumsimpulse für ein ethisch-ökologisches Investment in Deutschland.