Trubel im kunterbunten Haus

Gerade wurde die Hemelinger Godehardstraße wiedereröffnet. Jetzt fürchten die Anwohner, langsam aus der Straße rausgemobbt zu werden. Ein Indiz: Eine neue Mauer versperrt ihre Einfahrt

„Am Anfang haben die Bauleute noch gesagt, nachher werde alles schöner“

Den Stein des Anstoßes bildet eine kniehohe Mauer mit Pfosten. Aber für Katharina ist sie „ein Symbol“ dafür, dass die Zukunft der sieben Mieter in der Godehardstraße wackelig ist. Die WG fürchtet nämlich, langsam aus ihrem Traumhaus rausgemobbt zu werden. Ein Grund: Die kleine Mauer, die Bauarbeiter gerade hochgezogen haben, blockiert die Einfahrt zu dem Haus, in dem die Grafikstudenten, Tischler, PR-Leute und auch Arbeitslose seit Jahren zusammenwohnen.

Das Haus ist eine besondere Adresse in Hemelingen. Viele WGs gibt es so weitab vom Bremer Schuss sowieso nicht. Aber vor allem nicht solche. Katharina sagt, „hier kann ich kreativ arbeiten.“ Die kunterbunte WG-Truppe drechselt, malt und bildhauert.

1898 ist das Backsteinding als Schule unweit von der St.Godehard-Kirche gebaut worden. Vor gut 20 Jahren besetzten sie ein paar Aussteiger, schlossen mit der Stadt einen Vertrag ab. Sie renovierten das Gemäuer und schütteten Erde auf, damit Gras über den Schulhof wachsen konnte. Aus den einstigen Toilettenhäuschen wurden Geräteschuppen, die Fenster sind knallblau bemalt. Die Räume sind riesig, Ex-Klassenzimmer halt, bis zu 50 Quadratmeter groß.

Aber: Auch die Godehardstraße ist nicht irgendeine Straße. Seit gut zwei Jahren wird hier gebaut. Der Hemelinger Tunnel, eine 350 Millionen Mark teure und nicht ganz unumstrittene 660 Meter lange Röhre, die Mitte nächsten Jahres eröffnet werden soll. „Am Anfang sind die Bauleute noch gekommen und haben gesagt, nachher werde alles schöner“, erzählt Richard, der meint, die Godehardstraße sei „ein Zeichen dafür, wie eine Großbaustelle mit den Menschen umgeht.“ Aber dann fielen fast die Gläser aus dem Regal, als die Bagger kamen. Gerne auch früh um sechs.

Bäume wurden gepflanzt, Kopfsteinpflaster gelegt. Eigentlich ist es nach dem großen Wiedereröffnungsfest am Samstag in der Godehardstraße sogar fast noch schöner als früher, findet auch Katharina aus der WG. Und es ist doch alles anders. Rund um den Tunnel ist nämlich Sanierungsgebiet. Rundherum wird abgerissen, ein Mix aus betreutem Wohnen für Senioren, Kultur und Weiterbildung ist in Planung. Letztens waren die Architekten da, „in drei, vier Monaten“ soll klar sein, was in der Nummer 21 passiert. Das sagt zumindest Ullrich Höft, Gewoba-Projektleiter für die Sanierung Hemelingens. Ansonsten windet er sich: Das Haus habe „erheblichen“ Sanierungsbedarf. Und: Die Frage sei schon „zu stellen, ob man sich auch noch mal mit der Nutzung beschäftigt“. An der WG dürften sich die Sanierer jedoch die Zähne ausbeißen. Noch läuft der Mietvertrag, Katharina will „sich dafür einsetzen, dass das Haus weiter eine WG bleibt.“ Jetzt wird erst mal wegen der Mauer die Miete gemindert. Und dann? Gewoba-Mann Hövt meint konziliant: „Wir sind ja keine Miethaie.“ Kai Schöneberg