Rückschlag für Weltrechtsprinzip

Spanische Staatsanwälte wollen Ermittlungen gegen chilenische und argentinische Militärs einstellen

MADRID taz ■ Die Staatsanwaltschaft an Spaniens Nationalem Gerichtshof, der Audiencia Nacional, hat endlich einen Weg gefunden, die ihr lästigen Ermittlungsverfahren wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gegen chilenische und argentinische Militärs zu den Akten zu legen. Sie sprechen den Richtern das Recht ab, Vorfälle außerhalb des spanischen Staatsgebietes zu untersuchen. Bisher fühlten sich die spanischen Richter gemäß dem Weltrechtsprinzip universell für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zuständig, zumal wenn Spanier Opfer der Verbrechen wurden. Der Haftbefehl, den Spaniens bekanntester Ermittlungsrichter, Baltazar Garzón, 1998 gegen Augusto Pinochet erwirkte, basierte auf dieser Zuständigkeit.

Die Staatsanwälte an der Audiencia Nacional protestierten bereits im Falle Pinochet gegen die Ermittlungen. Jetzt glauben sie, einen Grund gefunden zu haben, solche Verfahren künftig zu unterbinden. Die Staatsanwälte berufen sich auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes von Ende Mai. Damals lehnten es die obersten Richter ab, den Führer der radikal-nationalistischen baskischen Herri Batasuna, Arnaldo Otegi, zu verurteilen.

Dieser hatte im März nach einer Veranstaltung seiner Partei im französischen Teil des Baskenlandes „Hoch lebe ETA!“ geschrien. Dies wird im spanischen Strafgesetzbuch als „Verherrlichung des Terrorismus“ gewürdigt. Dennoch weigerte sich der Oberste Gerichtshof, Otegi zu verfolgen, da er sich für ein solches Delikt nicht zuständig fühlt, wenn es im Ausland begangen wurde.

Aus diesem Urteil leiten die Staatsanwälte und einige Richter an der Audiencia Nacional jetzt ein grundsätzliche Verneinung der Zuständigkeit spanischer Gerichte für Straftaten im Ausland ab. Die Verteidiger des in Spanien einsitzenden argentinischen Militärs Alfredo Scilingo sowie die zuständige Staatsanwaltschaft haben eine Einstellung des Verfahren beantragt. Die Anwälte eines weiteren argentinischen Militärs, der in Mexiko in Auslieferungshaft sitzt, versuchen das Gleiche.

Und die zuständigen Richter im Falle des spanischen UN-Beamten Carmelo Soria, der 1976 in Chile von Soldaten entführt und ermordet wurde, haben das Verfahren gegen den damaligen chilenischen Verteidigungsminister Herman Julio Bardy Roche vor wenigen Tagen eingestellt.

Der Rechtsanwalt der Witwe von Carmelo Soria, Joan Garcés, ist empört. „Dieser Fall hat mit dem Fall Otegi nicht zu tun“, erklärt er. Im Falle der Hochrufe auf ETA handle es sich um ein Meinungsdelikt und im Falle Soria um „Genozid, Terrorismus sowie massive und systematische Folter“. Solche Fälle werden im spanischen Strafgesetzbuch ausdrücklich unter universelle Zuständigkeit gestellt.

Auch Richter Garzón kann die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft und der Richter im Fall Soria nicht verstehen. Er wird das Verfahren gegen Pinochet nicht zu den Akten legen.

REINER WANDLER