Finnische Geier auf kongolesischen Müllhalden

Im Kongo tobt erneut Streit um die Ausbeutung eines Bergbauproduktes mit militärischem Nutzen: Germanium aus den Abraumhalden von Katanga

BRÜSSEL taz ■ Ein gigantischer Berg dominiert Lubumbashi, Hauptstadt von Kongos Bergbauprovinz Katanga. Der so genannte „Big Hill“ ist kein natürlicher Berg, sondern ein über 100 Meter hoher Schutthaufen mit dem Abfall von Jahrzehnten der Kupfer- und Kobaltförderung. Heute sind es nicht die verfallenen Bergwerke von Katanga, sondern die aus dieser Abraumhalde zu extrahierenden Reichtümer, die die Bergbaukonzerne interessieren. Etwas davon interessiert ganz besonders: Germanium, ein äußerst seltenes und wertvolles Edelmetall, begehrt in der Rüstungs- und Raumfahrtindustrie.

Nach den Skandalen um Diamanten und Coltan – letzteres ähnlich wie Germanium ein Abfallprodukt des traditionellen Bergbaus – sorgt nun der Profit aus Germanium für Kontroversen im Kongo. Sein Preis liegt derzeit bei 880 Dollar pro Kilo, viel höher als der des Coltans in seinen besten Zeiten; und anders als Coltan findet man Germanium fast nur im Kongo.

1996, am Ende der Mobutu-Diktatur im damaligen Zaire, hatte die staatliche Bergbaufirma Gécamines ein Joint Venture zur Förderung von Mineralien aus Big Hill gegründet. Die „Société de Terril de Lubumbashi“ (STL) gehört zu 55 Prozent der amerikanisch-finnischen Outokumpu Minerals Group (OMG), zu 25 Prozent der belgischen Firma George Forrest und zu 20 Prozent der Gécamines, also dem Staat. STL verwandelt den Inhalt von Big Hill in einer Schmelzhütte in eine Metallmischung und exportiert diese dann nach Kokkola in Finnland, wo OMG daraus Mineralien extrahiert.

Im Gründungsvertrag der STL ist von der Förderung und dem Verkauf von Kupfer, Kobalt und Zink die Rede, nicht aber von Germanium. Das verwundert, denn Metallurgen und Ökonomen mit Erfahrung in Katanga wissen schon lange von dem seltenen Metall. Nach Angaben eines EU-Beraters gegenüber der taz extrahierte die belgische Bergbaufirma Union Minière schon in den 80er-Jahren heimlich in ihren belgischen Fabriken Germanium aus katangischen Mineralienimporten. Irgendwann merkte auch die Leitung von Gécamines, dass die Metallmischung Germanium enthielt. Nach Schätzungen der Gécamines-Ingenieure enthalten die Halden ein Viertel der Weltreserven dieses Metalls, also etwas über 3.000 Tonnen, nach gegenwärtigem Weltmarktpreis etwa 2,6 Milliarden Dollar wert. Die Germaniumproduktion des Kongo wird derzeit auf 20 Tonnen jährlich geschätzt, was nach derzeitigen Preisen immerhin fast 18 Millionen Dollar bringt.

Davon verlangte Gécamines also einen Anteil. Vor zwei Jahren – damals lag der Weltmarktpreis noch bei über 1.000 Dollar pro Kilo – bot OMG fünf Prozent seiner Germaniumerlöse an. Diesen niedrigen Anteil begründete die Firma mit den Kosten des Baus der Fabrik von Kokkola.

Es kam nie zum Vertragsabschluss über dieses Angebot. Aber OMG förderte und verkaufte weiter Germanium aus Katanga. Im März dieses Jahres behauptete das New Yorker „Metal Bulletin“ unter Berufung auf Gécamines-Angestellte, OMG habe acht Millionen Dollar Schmiergelder gezahlt, damit Gécamines seine Forderungen fallen lässt. Das ist nicht zu beweisen, aber der Bericht zwang die Leitung des kongolesischen Staatskonzerns dazu, das OMG-Angebot als „ungerecht“ abzulehnen. Nun ist unklar, welchen rechtlichen Status der Verkauf von Germanium aus dem Kongo hat.

Gécamines liegt ohnehin seit der Mobutu-Ära am Boden. Inzwischen drohen ihre 24.000 Angestellten, die Lieferungen nach Finnland einzustellen – und in Belgien Klage einzureichen, um das Joint Venture von 1996 für ungültig erklären zu lassen. FRANÇOIS MISSER