Die Frau als kultureller Störfaktor

Munter lockt die Politik mit Werbekampagnen die Frauen in technische Berufe. Besonders rosig ist deren Zukunft dort aber nicht, zeigt eine Studie

BERLIN taz ■ Marion Tauber*: jung, groß, kräftig, durchsetzungsfähig. Bauingenieurin. Ein Musterbeispiel der jungen Frau aus einer der zahlreichen Kampagnen, mit denen Rot-Grün Frauen in Ingenieurberufe locken will, könnte man meinen. „Be-ing“ heißt eine für Ingenieurinnen, oder „Be-it“ für Informatikerinnen. Nur: Marion Tauber schult gerade um. Physiotherapeutin möchte sie jetzt werden.

Als sie mit gutem Abschluss ins Arbeitsleben startete, sagten die Kollegen als Erstes zu der 1,80-Frau: „So, jetzt setzt du dich erst mal zu uns, Kleine.“ Ihre Untergebenen führten Anweisungen erst aus, wenn der Chef sie wiederholte, und mehr als einmal musste sie vor einer Art Tribunal ihre Pläne vorrechnen, weil ein männlicher Kollege ihre Berechnungen anzweifelte. Und: „Arbeiten bis zum Anschlag“ war angesagt. Als Physiotherapeutin dagegen stößt sie statt auf skeptische Kollegen nur auf dankbare Patienten und kann um fünf nach Hause gehen – „ich glaube, das liegt Frauen mehr“, ist ihre Schlussfolgerung.

Das schöne Beispiel für geschlechtsuntypische Berufswahl – hier hat es im Gegenteil geendet. Bestätigt werden Marion Taubers Erfahrungen jetzt durch eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit. Frauen werden in technischen Berufen trotz gleich guter Studienabschlüsse nicht so gerne eingestellt wie Männer: Sie suchen länger und sind doppelt so oft arbeitslos wie Männer, errechnete das IAB: 6,6 Prozent der Frauen, die technische Fächer studierten, waren im Jahr 2000 arbeitslos, aber nur 3,2 Prozent der Männer. Damit sind weit mehr Studentinnen technischer Fächer später arbeitslos als im Durchschnitt aller Studienfächer: 3,7 Prozent betrug die Arbeitslosenquote aller Akademikerinnen im Jahr 2000 (die der Männer lag bei 2,5 Prozent).

Im Vergleich mit den Männern, von denen 13 Prozent Führungspositionen in technischen Bereichen bekleiden, sind Frauen dort so selten, dass die Studie keine Zahl angeben konnte. Sie würden häufig noch als „kulturelle Störfaktoren“ wahrgenommen, zitiert der Bericht eine Befragung. Zudem ist das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie in diesen Berufsgruppen noch gar nicht angekommen. „Teilzeitarbeit ist hier immer noch nahezu unbekannt“, erklären die Autorinnen. Nur 1 Prozent der MaschinenbauerInnen etwa arbeitet kürzer als Vollzeit. Im Durchschnitt aller Berufe sind es aber fast 20 Prozent der Beschäftigten, fast alle von ihnen Frauen. Auch die berühmte Telearbeit, mit der Rot-Grün wirbt, ist bei weitem nicht so verbreitet: Nur 2 Prozent aller Angestellten, die mit einem PC arbeiten, tun dies überwiegend zu Hause.

Hat man keine Probleme mit der Kinderversorgung, dann gibt es in den technischen Berufen allerdings auch handfeste Vorteile: Die technischen Akademikerinnen waren sehr viel häufiger unbefristet angestellt als der Durchschnitt der Akademikerinnen, und sie verdienten zwar weniger als ihre männlichen Kollegen, aber mehr als die Durchschnittsakademikerin.

Das Fazit des IAB: Der Markt für Frauen in den Ingenieurberufen ist nicht so rosig, wie die Regierung ihn zeichnet: „Idealisierende Werberhetorik dürfte kaum geeignet sein, junge Frauen auf ihrem Weg in bislang männerdominiertes Terrain zu unterstützen.“ HEIDE OESTREICH

*Name geändert