Solarstrom von der Wiese

Freunde der Sonnenenergie sind sich uneinig, ob man die Module nur auf Dächern platzieren soll, oder auch in der freien Natur. Optimal wäre, wenn sie herkömmliche Dächer oder Fassaden ersetzen

„Wir finden kaum Dachflächen in entsprechenden Größen.“

Freunde der Umwelt lieben Solaranlagen. Freunde der Umwelt lieben auch unberührte Wiesen. Und so tut sich plötzlich ein Konflikt auf: Wie will man Solaranlagen bewerten, die auf der „grünen Wiese“ errichtet werden? Ein 1,6-Megawatt-Solarkraftwerk, das Ende vergangenen Jahres auf dem Gelände einer stillgelegten Kiesgrube im Ortsteil Markstetten der oberpfälzischen Gemeinde Hohenfels ans Netz ging, hat die Debatte entfacht.

Energieexperten hatten kommen sehen, dass dieses Thema früher oder später aktuell werden würde – und so hatte die Bundesregierung bereits bei der Formulierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 vorgebaut: Photovoltaikanlagen, die nicht an oder auf Gebäuden angebracht sind, erhalten nur bis zu einer Leistung von 100 Kilowatt die garantierte Einspeisevergütung in Höhe von derzeit 48,1 Cent je Kilowattstunde. Damit, so glaubte man, würden Großanlagen auf der Wiese unrentabel.

In Markstetten – ein Projekt der Stuttgarter Voltwerk AG, einer Tochter der Conergy AG, und der Umweltkontor Renewable Energy AG – präsentierten die Betreiber nun eine spezielle Lösung: Sie teilten die knapp 1,6 Megawatt technisch und wirtschaftlich in 16 kleine Anlagen, und unterschritten damit jeweils haarscharf die 100-Kilowatt-Grenze. Der Stromversorger Eon akzeptierte das, und nimmt nun den Solarstrom gemäß EEG ab.

Doch längst nicht alle Solarfreunde jubeln über dieses derzeit größte Solarkraftwerk Deutschlands. Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des Aachener Solarenergie Fördervereins (SFV), lehnt derartige Projekte strikt ab. Obwohl von Fabeck und der SFV sich wie kaum jemand anders in Deutschland um die angemessene Vergütung von Solarstrom verdient gemacht haben, wollen sie hier die Notbremse gezogen sehen: „Als Verein, der sich von seiner Satzung und Überzeugung her dem Schutz der Umwelt verpflichtet fühlt, protestiert der Solarenergie-Förderverein gegen diesen unnötigen Flächenverbrauch.“

Von Fabeck befürchtet bereits eine Verschandelung der Landschaft, wie sie das Auto in den vergangenen Jahrzehnten bewirkt hat. Das heutige Ausmaß von Asphalt und Beton habe man „in der Anfangszeit des Autos, als man noch mit wunderschönen, handgefertigten Automobilen eine Landpartie unternahm“, auch nicht voraussehen können. Also müsse man den Ausbau solarer Großanlagen auf unversiegelten Flächen von vorneherein unterbinden. Schließlich sei die Landschaft ein „nicht vermehrbares Gut“.

Mit dieser Position steht der Verein nicht alleine. „Völlig unnötig“ seien Anlagen in der freien Natur, sagt auch Hermann Scheer, Präsident von Eurosolar, und als SPD-Bundestagsabgeordneter einer der Väter des EEG. Man müsse, fordert er daher, den Bau von Solaranlagen „rigoros an Gebäude knüpfen“. Schließlich reichten bereits zehn Prozent der in Deutschland überbauten Fläche aus, um den gesamten Strombedarf beim heutigen Stand der Technik solar zu decken: „Wir brauchen die Wiesen einfach nicht.“

Ähnlich sieht das Hans-Josef Fell, Energieexperte der Grünen. Photovoltaik auf den Dächern könne „Unmengen von Energie“ erzeugen – es sei daher schlicht nicht erforderlich, die knappen Naturflächen in Deutschland für Solaranlagen zu verwenden.

Martin Bucher, Vorstandsvorsitzender der Voltwerk AG, hält diese Einwände für praxisfremd. „Wir finden kaum Dachflächen in entsprechenden Größen“, sagt er. „Wir haben Hunderte von Dächern geprüft.“ Denn man brauche schließlich neben einer ausreichenden Statik auch einen Eigentümer, der Pachtverträge für 20 Jahre anbietet – und das sei selten. Wenn man nun mangels Alternativen auf eine Kiesgrube ausweiche, wie in Markstetten geschehen, dürfe doch die Solarbranche nicht auf „die Wegbereiter“ einprügeln. Man müsse vielmehr die Vorteile sehen: „Der ganze Markt profitiert von uns.“

Denn erst durch die Abnahme von Modulmengen im Megawattbereich – immerhin Zellen mit einer Fläche von zusammen 14.500 Quadratmetern – bringe man die Produktion auf Touren: „Bei der Einweihung in Markstetten waren auch japanische Anbieter da, die sich den deutschen Markt mal anschauen wollten.“ So sei die Großanlage in der Oberpfalz, die auch den Weg bis in die Hauptausgabe der Tagesschau fand, ein „Meilenstein beim Eintritt in den kommerziellen Betrieb von Megawatt-Solarkraftwerken.“ Daher fragt auch Thorsten Vespermann von der Conergy AG nun: „Kann man es sich leisten, eine viel versprechende Form der Energiegewinnung auszuschließen, weil es vielleicht eine noch bessere gibt?“

Sein Kollege Bucher führt zudem an, dass von Landschaftsversiegelung keine Rede sein könne: Nur drei Prozent der Fläche würden durch das Solarfeld versiegelt, es gebe keine tiefen Fundamente, und ein Rückbau nach Ende der Nutzung sei problemlos möglich. Man nutze Holzgestelle mit niedriger Energierücklaufzeit. Und zwischen den aufgeständerten Modulen könne gar „ein Biotop“ entstehen, weil man dort der Natur ihren Lauf lasse, und auch keine Düngemittel einsetze. Aber auch Voltwerk-Vorstand Bucher ist sich dessen bewusst, dass eine Anlage in der freien Natur nur die zweitbeste Lösung sein kann – und so sieht auch er die Zukunft der Solarenergie „hoffentlich auf den Dächern“.

Dort müssten sie schon alleine aus volkswirtschaftlichen Gründen hin, fügt dann auch Wolf von Fabeck hinzu. Denn nur wenn die Module zugleich herkömmliche Dach- oder Fassadenverkleidungen ersetzen, könne der Solarstrom konkurrenzfähig werden. Und diese „Doppelverwendung“ scheidet bei Anlagen auf der grünen Wiese naturgemäß aus. BERNWARD JANZING