Handstandüberschlag in die Zukunft

Nigerias junges Team kann noch nicht an alte Erfolge anknüpfen und scheidet durch das 1:2 gegen Schweden aus

KOBE taz ■ Adegboye Onigbinde, genannt Festus, ist ein einfacher Mann. Aber einer, der Nigeria liebt. Und deshalb war er nicht beleidigt, als die Herren vom nigerianischen Verband in aller Welt herumtelefonierten, bei Jürgen Röber in Berlin anklingelten sowie auf Ruud Gullits Handy, und schließlich sogar erwogen, bei Bayer Leverkusen den gesamten Betreuerstab um Klaus Toppmöller für die WM zu leasen. Festus war stolz, als nach den vielen Absagen die Wahl auf ihn fiel. Es machte ihm nichts aus, dass er vor allem deshalb genommen wurde, weil er mit weitem Abstand der Billigste war.

Und Festus wird seinen Stolz von Japan wieder mit heimnehmen zu den 130 Millionen Menschen Nigerias. Auch wenn nun in den Zeitungen von Lagos und der Hauptstadt Abuja schon die Nachrufe stehen für die ehemaligen „Super-Eagles“, die grünen Adler. „So ist Fußball“, verabschiedete sich der Trainer in Kobe, „manchmal muss auch ein gutes Team schon früh von einem Turnier heimfliegen.“ Eines aber sei seiner Mannschaft gelungen, „wir haben unsere Spiele gegen Argentinien und Schweden immer offen gehalten“. Seine Ehre und die Ehre seines Landes bedeuten Nigerias Coach sehr viel. Weshalb ihm das Versprechen abzunehmen ist, dass sich Okocha und Co. auch gegen England nicht hängen lassen werden.

Die Welt soll sie gut in Erinnerung behalten. Im Falle Julius Aghahowa wird sie das in jedem Fall. Sein Tor wird in keinem WM-Film fehlen. Schon weil er seinem Kopfball nicht nur einen Salto, sondern gleich sieben Handstandüberschläge hinterherschickte. Der 20-Jährige, der die Adresse Schachtjor Donezk wohl bald mit der von Arsenal London vertauschen wird, ist nicht der Einzige der jungen hoffnungsvollen Generation Nigerias. Zu den auffälligsten Akteuren zählten auch sein Klubkamerad Isaak Okoronko, Joseph Yobo (Olympique Marseille), Christopher Justice (Royal Antwerpen) und John Utaka, der in Katar kickt. Sie alle gehören zur gleichen Altersklasse, haben ihr Land schon mit 16, 17 verlassen. Anders als ihre berühmten Vorgänger kamen sie nicht gleich bei Topvereinen unter, sie müssen sich erst mühsam hochspielen. Aber bis auf Jay-Jay Okocha (28), der immer noch mit dem Ball tanzt und die Schweden mehr als einmal in große Verwirrung brachte, wird kaum einer der großen Alten den Umbruch überstehen, der in Nigerias Auswahl nun ansteht.

Während Nigerias Team mit hängenden Köpfen, aber begleitet von großem Beifall, das Feld verließ, zeigten die Schweden dem Publikum die Faust. Ausgerechnet jene Mannschaft, der zuvor die geringsten Chancen eingeräumt worden waren, hat nun schon vier Punkte. Anders als die Spieler genossen die zwei Trainer ihre Freude und Genugtuung eher still. „Wenn wir einen guten Tag erwischen, können wir auch Argentinien ärgern, aber erst werden wir uns heute Abend gemütlich vor den Fernseher setzen und den Favoriten zuschauen“, erzählte Lars Lagerbäck. Dann folgte noch eine Erklärung, weshalb sich die schwedische Ausgangsposition so erfreulich verbessert hat. Alle besäßen einen hervorragenden Charakter und keiner scheue sich, fürs Team zu arbeiten. Womit in erster Linie Henrik Larsson gemeint war, der beide Tore gegen Nigeria erzielte. Aber dass der 30-Jährige schuftet wie im Akkord, das hat man auch vorher schon gewusst. Nur dass der sonstige Vorarbeiter auf einmal so sicher trifft, das ist neu bei den Blaugelben. MARTIN HÄGELE