Sonne schönt die Jobzahlen

Arbeitslosigkeit im Mai wieder unter 4 Millionen. Rechnet man jedoch die positiven Einflüsse des Frühjahrswetters heraus, geht es weiter abwärts auf dem Arbeitsmarkt. Talsohle noch nicht erreicht

BERLIN taz/dpa/afp ■ Florian Gerster, der neue Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), baute schon mal vor. Die Talsohle am Arbeitsmarkt sei noch nicht erreicht, warnte Gerster gestern. Denn eigentlich hätte die so genannte Frühjahrsbelebung im Mai auf dem Jobmarkt besser ausfallen müssen. Stattdessen aber stieg die Zahl der Arbeitslosen im Mai saisonbereinigt bundesweit um 60.000 an.

3,946 Millionen Menschen waren im vergangenen Monat arbeitslos gemeldet. Dies waren zwar 77.600 weniger als im April, die Arbeitslosenzahl fiel damit unter die kritische 4-Millionen-Marke. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es jedoch 225.600 Erwerbslose mehr. Im Westen lag die Arbeitslosenquote jetzt bei 9,5, im Osten bei 17,7 Prozent.

Im Mai werden in der Regel mehr Leute eingestellt, weil die Bauwirtschaft anzieht. Rechnet man diesen positiven Effekt der Witterungsverhältnisse heraus, ergibt sich für den vergangenen Monat ein schlechter Trend.

Gerster war gestern zwar um Relativierung bemüht und teilte dabei gleich Seitenhiebe aus: So würden die Arbeitslosenzahlen im Mai noch besser ausgesehen haben, wenn die jüngsten Tarifkonflikte nicht bei vielen Arbeitgebern in der Baubranche zur Zurückhaltung bei Einstellungen geführt hätten. Außerdem hätten die vielen Feiertage im Mai den Jobmarkt ungünstig beeinflusst, erklärte der BA-Chef. Trotzdem musste die Bundesregierung gestern die Schelte für den allgemeinen Trend einstecken.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Matthias Wissmann lästerte, das „Versagen“ der rot-grünen Bundesregierung zeige sich besonders an der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Zum ersten Mal seit Dezember 1999 habe die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl wieder die 4-Millionen-Grenze überstiegen.

Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) verwies erwartungsgemäß auf die „unbereinigten“ Arbeitslosenzahlen, bei denen das Frühjahrswetter mehr durchschlägt. Mit dem Rückgang der unbereinigten Arbeitslosenzahl sei „ein wichtiger Schritt“ getan, so Riester. „Unter 4 Millionen ist ein wichtiges Etappenziel, auch wenn wir uns mehr erhofft hatten“. Sowohl Riester auch die BA verwiesen auf die anziehende Konjunktur. Diese habe den Jobmarkt nur noch nicht erreicht.

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, erklärte hingegen gestern, die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung sei „gescheitert“. Man könne von „keinem wirtschaftlichen Aufschwung reden“. Frühestens im Herbst sei eine spürbare Aufwärtsentwicklung bei Konjunktur und auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten.

Die Arbeitgeber stellten gestern neue Reformvorschläge für die Sozialversicherungen vor. Danach müsse das Rentenniveau von derzeit 70 auf 60 bis 62 Prozent gesenkt werden. Die Kassen sollten Kranken nur noch die „Basisversorgung“ garantieren. Diese Maßnahmen seien nötig, damit die Beitragssätze für die Sozialversicherungen in den kommenden Jahren nicht weiter ansteigen müssten. BD