Der Käskopp kämpft nicht mehr

Mit seiner Band The Promise Ring versucht Exwüterich Davey von Bohlen, mehr Entspannung in sein Leben zu bringen

Es war einmal eine Band, die spielte Emocore. Das steht für Emotional Hardcore und soll heißen: Musik mit lauten, verzerrten Gitarren und eingängigen Melodien, Musik mit Punkvergangenheit und Hitpotenzial, Musik von jungen Menschen mit übergroßen Gefühlen für noch ein wenig jüngere Menschen mit ebensolchen Emotionen.

Dann passierte im Jahre 2000 die Geschichte mit dem Gehirntumor. Die Geschwulst, so geht die Legende, war im Kopf des Sängers, Gitarristen und Songschreibers der Band zur Größe einer Faust gewachsen. Nachdem sich der Tumor als gutartig herausstellte, folgten vier Operationen, dann waren die Kopfschmerzen verschwunden, Davey von Bohlen nicht mehr derselbe, und The Promise Ring wollten und sollten nicht mehr nur eine Emocore-Band sein.

The Promise Ring stammen aus Milwaukee, Wisconsin. Im Rest des Landes nennt man die Menschen, die dort im hohen Norden bei den großen Seen leben, „Cheeseheads“, weil in Wisconsin das Herz der amerikanischen Milchwirtschaft schlägt. Möglicherweise ist der ländliche Menschenschlag ja besonders stur, jedenfalls fanden die Fans von The Promise Ring den Wandel ihrer Helden gar nicht gut. Aber, kontemplierte von Bohlen fortan in Interviews, man könne eben nur eine gewisse Zeit dieselbe Musik machen. Stattdessen schrieb er Songs, die „Stop Playing Guitar“ hießen. Tatsächlich hörte er zwar nicht auf, Gitarre zu spielen, stellte von nun an aber erfolgreich seine Existenz als Rocker in Frage, der mit Hass handelt, voll Wut spielt und Glückseligkeit im Lärm verspricht. „My Life is at Home“ erkannte er jetzt und lobte Grundsätzlichkeiten des Lebens wie „Bread and Butter“.

Die Musik auf ihrem neuen Album „Wood/Water“ überschlägt sich dazu nicht, anstatt wie früher ungestüm vorwärts zu preschen und alles auf einmal zu wollen. Die Gitarren sind ab und an elektrisch und leicht verzerrt, noch öfter aber akustisch und manchmal sommerlich flirrend. Es gibt sogar Streicher und sanften Chorgesang. Diese Musik will nichts beweisen, sie erinnert in ihrer grenzenlosen Entspanntheit durchaus an Bands wie High Llamas oder Mercury Rev. Diese Musik, darauf läuft es schlussendlich hinaus, ruht in sich wie jemand, der dem Tod von der Schippe gesprungen ist. „Aber ich kann immer noch nicht singen“, lächelt von Bohlen, und seine Stimme, leicht schräg vorbei am Ton, macht mitunter tatsächlich den Unterschied zwischen Americana und Easy Listening.

Nun könnte man sagen: In Zeiten, da Bands wie Jimmy Eat World oder Weezer sich an der Spitze von Verkaufscharts tummeln, ist von Bohlens musikalische Neuorientierung kommerziell betrachtet etwas ungeschickt. Andererseits: Musik, die gemacht wird, um verkauft zu werden, ist es nicht wert, gehört zu werden. Jedenfalls nicht im Kosmos von The Promise Ring.

THOMAS WINKLER

Heute, 21 Uhr, Magnet, Greifswalder Str. 212–213, Prenzlauer Berg