Der belanglose Abschied eines toten Kämpfers

In der Video-Performance-Produktion „Three Posters“ gehen Elias Khoury, einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren des Libanons, und Rabih Mroué, Autor, Schauspieler und Regisseur, mit Hilfe von drei Videos den Vorstellungen von Märtyrertum in der arabischen Welt nach

taz: Rabih Mroué, Sie spielen sehr glaubwürdig die Rolle eines libanesischen Freiheitskämpfers, der sich entscheidet Selbstmordattentäter zu werden. Auch Sie waren Kämpfer gegen die israelische Besatzung, doch statt Märtyrer zu werden, sind sie Schauspieler geworden.

Rabih Mouré: Für mich begeht in dem Stück der Schauspieler auch eine Art Selbstmord als Schauspieler. Er packt seine Sachen zusammen, setzt sich zu den Zuschauern, sieht sich das Video des richtigen Selbstmordattentäters an und geht dann, ohne den Applaus abzuwarten.

In Deutschland und Europa sind wir tatsächlich alle Zuschauer des Nahostkonflikts, aber im Libanon ist es doch offensichtlich eine Option, Selbstmordattentäter zu werden.

Mroué: Das Stück war ursprünglich nur für Beirut geschrieben. Für die Diskussion dort. Wir hätten nicht gedacht, dass es einmal im Ausland aufgeführt werden würde. Das Stück behandelt eine bestimmte Strategie der libanesischen linken Parteien im Bürgerkrieg, die Leute als Selbstmordattentäter in den Tod geschickt haben. Das ist für uns eigentlich ein vollkommener Widerspruch zum Denken der Linken. Und wir werfen die Frage auf, wie das, was als säkularer Widerstand begann, unter der Kontrolle der Hisbullah und Syriens enden konnte.

Elias Khoury: Es begann als militärische Taktik von Seiten der Nationalisten und Linken. Die Rationale dahinter war der Versuch, die eigene Schwäche gegen einen um vieles besser ausgerüsteten und stärkeren Gegner wie die israelische Armee ausgleichen zu können. Die Konnotationen und die Bedeutung wandelten sich aber, als die Islamisten dem ein religiöses Label zu geben versuchten.

Welchen Unterschied macht es für die Opfer, die Täter und die Politik, ob ein Selbstmordattentäter für den nationalen Widerstand oder aus religiösen Gründen handelt?

Khoury: Ich glaube, da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Auch für die Islamisten ist es eine militärische Taktik. Sie drückt die totale Hoffnungslosigkeit eines Volkes aus, dass seit mehr als 30 Jahren unter der Besatzung leidet. Ich akzeptiere diese Hoffnungslosigkeit nicht. Politisch käme man da ganz einfach heraus, wenn man endlich zwei Staaten akzeptierte. Wenn das überhaupt noch Sinn macht in einer Situation, wo jeder schon alle Hoffnung verloren hat. Und das ist furchtbar, denn es könnte einen Krieg heraufbeschwören, der nie endet.

Wo sehen Sie noch Hoffnung?

Khoury: Im Kampf zweier Völker in dem selben Land sind Israelis und Palästinenser der Spiegel füreinander geworden. Der erste Schritt zur Versöhnung wäre, dass die Israelis bereit sind, sich den palästinensischen Schmerz anzusehen und akzeptieren, dass auch die Palästinenser Opfer sind. Auf der anderen Seite müssen auch die Palästinenser den jüdischen Schmerz und die Geschichte zur Kenntnis nehmen, wo Juden Opfer geworden sind. Wenn die beiden Opfer akzeptieren, dass sie einander spiegeln, kommen wir vielleicht einer Lösung näher.

INTERVIEW: ULLRICH JOSSNER

Von Elias Khoury sind zwei Bücher in deutscher Übersetzung erschienen: „Der geheimnisvolle Brief“. 2000, Beck Verlag, 214 S., 18,50 Euro„Königreich der Fremdlinge“. Schiler Verlag 1998, 132 S., 14,90 Euro