30.000 gegen Langzeitgebühren

In Düsseldorf protestieren Studierende gegen die Pläne, eine Strafgebühr von 650 Euro fürs lange Studieren zu erheben. Nordrhein-Westfalen galt bislang als Bollwerk gegen das Bezahlstudium. Nun dominiert der Finanzminister die Bildungspolitik

BERLIN/DÜSSELDORF ap taz ■ Der studentische Protest gegen die in Nordrhein-Westfalen geplanten Gebühren für Langzeitstudierende ist größer ausgefallen als erwartet. Die Veranstalter sprachen von 30.000 TeilnehmerInnen in Düsseldorf. Mit Fahnen, Trommeln und Transparenten zogen die angehenden Akademiker in einem zwei Kilometer langen Zug durch die Innenstadt. Die Landesregierung will vom Sommersemester 2003 an Studiengebühren erheben, der Landtag muss dem Gesetz noch zustimmen.

Zu den neuen Gebühren in NRW gehört eine Rückmeldegebühr von 50 Euro je Semester. Zudem sollen so genannte Langzeitstudierende, die das Regelstudium um mehr als fünf Semester überzogen haben, künftig 650 Euro pro Semester zahlen. Auch StudentInnen im Zweitstudium müssten zahlen. Durch die Einnahmen will NRW den Haushalt um jährlich etwa 120 Millionen Euro entlasten.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland sind 500.000 StudentInnen eingeschrieben. In Düsseldorf präsentierten viele Studis „ihr letztes Hemd“, sammelten Geld für die Landesregierung und klebten sich Preisschilder auf die Stirn. Die Demonstranten offenbarten, dass Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) mit 20 Semestern selbst ein Langzeitstudent gewesen sei.

Für Unmut sorgt vor allem die Ankündigung, dass die geplanten Gebühren nicht den Hochschulen zu Gute kommen sollen. Der Sprecher des Studentenbündnisses „Bildung steht nicht zum Verkauf“, Renatus Maria Schuijlenburg, kritisierte, die Studierenden sollten „für die Steuergeschenke an die Konzerne geradestehen“. Die Studierenden kündigten an, ihren seit zwei Wochen anhaltenden Boykott von Lehrveranstaltungen an verschiedenen Unis bis zum Verzicht auf die Gebühren fortzusetzen. Zu der Demonstration hatten die Studentenvertretungen aufgerufen, auch Künstler, Gewerkschaften und Globalisierungsgegner schlossen sich an.

Die Gebührenpläne sorgen auch deshalb für Unruhe, weil Bildungsministerin Gaby Behler (SPD) noch im November ein Modell vorgestellt hatte, dass sich explizit gegen die jetzt geplanten Strafgebühren richtete. Zusammen mit Rheinland-Pfalz hatte sie so genannte Studienkonten vorgeschlagen, mit Hilfe derer das schnelle Studieren mit Bonuspunkten belohnt worden wäre. Darin waren auch Ausnahmeregelungen für TeilzeitstudentInnen enthalten, die es Studierenden mit Kind ermöglichen, ihr Studium gebührenfrei zu Ende zu bringen.

Die jetzt vorgeschlagene Regelung stammt von Nordrhein-Westfalens Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und sieht isoliert die Erhebung von Strafgebühren für langsames Studieren vor. Die Gebühren sind auch innerhalb der rot-grünen Regierungskoalition in Düsseldorf umstritten. Mehrere Mitglieder der SPD-Fraktion und SPD-Bundestagsabgeordnete hatten das Vorhaben kritisiert. Es verschlechtere die Aussichten der SPD für die Bundestagswahl im September. Die Grünen-Landesminister Bärbel Höhn und Michael Vesper hatten angekündigt, bei der Abstimmung im Kabinett den Plänen in Teilen nicht ihre Stimme zu geben. CIF