Von der Schule auf den Markt

Judy Budnitz aus den USA hat einen Abschluss in „Creative Writing“ und liest am Donnerstag in Bremen. Auch die hiesige Uni will vermehrt das Schriftstellern lehren

Ein Kiosk verkauft Straßenkarten ohne Ziel, in einem Kunstkurs geben die Zeichnenden die Aktmodelle, des einsamen Mädchens einziger Freund trägt ein Hundekostüm. Menschen verwandeln sich in den Geschichten der 1973 in Massachusetts geborenen Judy Budnitz.

Mit Vorliebe verfremdet sie gewöhnliche Situationen, bis zur Unkenntlichkeit. Ein klarer, unaufgeregter Ton, gepaart mit einem sympathischen Hang zu düsterem Humor kennzeichnet Budnitz’ Texte, mit denen sie – passend zum Titel ihres nun übersetzten Debütbands „Flying Leap“ (Große Sprünge) – zum Sprung auf den deutschsprachigen Literaturmarkt ansetzt.

„Wir sitzen in der U-Bahn in einem Wagen voller Geschichten. Die Menschen hocken da mit versteinerten Gesichtern und haben ihre Geschichten auf dem Schoß oder in den Taschen.‘‘ Man muss sie nur nehmen und aufschreiben, möchte man ergänzen. Doch das klingt etwas zu sehr nach Einführungsseminar in „Kreatives Schreiben“. Budnitz gehört zu jener jungen AutorInnengeneration in den USA, die fast komplett eine abgeschlossene Literatenausbildung vorweisen kann. „Creative Writing“ ist in den USA schon lange im akademischen Betrieb etabliert und zugleich fester Bestandteil des Marktes.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Schulen nicht auch als Zwangskorsett wirken, die den literarischen Output normieren und so genau das Gegenteil bewirken, nämlich die Kreativität einschränken? Diese Gefahr sieht Ian Watson vom English-Department der Bremer Uni nicht. Jedenfalls nicht so drastisch. Eine groß angelegte Ringvorlesung, die im vergangenen Wintersemester unter dem Titel „Quo vadis, creative writing?‘‘ einen Überblick über Erfahrungen, Vor- und Nachteile vermitteln sollte, habe gezeigt: „Das kann man lehren, das Schreiben. Nicht aber die Kreativität. Man kann Stärken herausarbeiten und Schwächen abstellen.‘‘

Auch die Uni-Leitung habe deutliches Interesse an der festen Verankerung im Lehrplan. „Nicht zuletzt wegen der Kontakte zu amerikanischen Universitäten – die sind nämlich alle ziemlich scharf auf creative writing‘‘, erläutert Watson.

Es werde – bemerkenswert in Zeiten knapper Kassen gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich – sogar personell verstärkt. „Wir werden den renommierten Schriftstellerschulen in Leipzig oder Hildesheim keine Konkurrenz machen – die haben einfach zu große Namen‘‘, sagt Watson, der vor kurzem das Bremer „Forum für kreatives Schreiben“ mitgegründet hat.

Im übrigen sei es auf keinen Fall wünschenswert, jene Entwicklungen in den USA nachzuvollziehen, die mit Pech dazu führen können, dass AutorInnen ohne entsprechenden Abschluss gar keine Chance mehr bekämen, ihre Bücher unterzubringen. Tim Schomacker

Judy Budnitz liest Donnerstag ab 20 Uhr (auf englisch) in der Villa Ichon