Gipfel in kanadischer Einöde

Um Proteste zu verhindern, tagen die Vertreter der G 8 an einem abgeschiedenen Ort in den Rocky Mountains. Für Globalisierungsgegner ist da kein Platz

BERLIN taz ■ Kananaskis – der Tagungsort ist so klein, dass er nicht einmal in Dierckes Weltatlas auftaucht. In den Rocky Mountains gelegen, umgeben von Tälern, Flüssen, Seen, Wiesen und Wäldern – eine „malerische Landschaft“, heißt es im Reiseführer. Die nächste große Stadt heißt Calgary und liegt rund 100 Kilometer östlich. In diesen Tagen bereitet sich Calgary auf ihr nächstes Großereignis vor: den G-8-Gipfel, der vom 26. bis 28. Juni in Kananaskis stattfindet.

Die gastgebende kanadische Regierung hat den Ort bewusst gewählt. Ein Chaos wie 2001 in Genua, wo ein Demonstrant ums Leben kam, soll verhindert werden. Nur die acht Staats- und Regierungschefs mit ihren Delegationen sowie die anderen offiziellen Teilnehmer dürfen im Tagungsort wohnen. Journalisten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) werden in Calgary untergebracht. Chrétien hat gute Chancen, seinen Gipfel ungestört abhalten zu können. Das Tagungszentrum ist nur über eine Zufahrtsstraße zu erreichen – und die wird wohl gesperrt. Demonstranten bleibt dann nur der Weg durch die Wildnis und einen Fluss.

Zwar hatten Globalisierungskritiker geplant, ein Solidaritätscamp in der Nähe des Bergdorfs zu errichten. Zehntausend Demonstranten aus aller Welt sollten darin Platz finden. Doch die kanadischen Behörden stellten sich quer. „Man macht es uns unmöglich, Land in der Nähe von Kananaskis für unser Camp zu nutzen“, klagen die Organisatoren, ein Bündnis um eine „revolutionäre Gruppe“ aus Alberta, dem kanadischen Bundesstaat, zu dem Calgary gehört. So hat die Provinzverwaltung von Alberta verboten, den bei Kananaskis gelegenen Naturschutzpark mit öffentlichen Toiletten zu nutzen.

Auch die Besitzer des Indianerreservats „Stoney First Nation“ ließen die Globalisierungskritiker abblitzen. Für Bill Moore, einen der Organisatoren des Camps, ist klar: „Wir wissen, dass sie sich gleichzeitig mit Vertretern der Regierung trafen.“ Er vermutet, dass den Bewohnern des Reservats Geld geboten wurde – was die Regierung zurückweist. Die Organisatoren gaben auf: „Wir haben uns geeinigt, dass wir unsere Energie darauf verwenden, mit den anderen NGOs in Calgary zusammenzuarbeiten“, verkünden sie seit Mai auf ihrer Homepage.

In Calgary planen Globalisierungsgegner seit langem einen Gegengipfel, den „G 6 B“ alias „Group of Six Billion“. Er steht für die sechs Milliarden Menschen, die nach Ansicht der Gruppe beim offiziellen Gipfel außen vor bleibt. Doch ein Standort für das Zeltlager, wie der Stadtpark, bleibt ihnen auch hier verwehrt: Der Bürgermeister sei der Ansicht, der Park eigne sich nicht für politische Veranstaltungen, erklärt Moore. „Dabei hat er hier im Wahlkampf eine Grillparty für 800 Leute gegeben.“

Der Sprecher des Bürgermeisters, Peter Brodsky, findet, die Camporganisatoren seien selbst schuld: „Da kommt eine riesige Gruppe 30 Tage vor einer Veranstaltung, deren Termin seit Monaten bekannt ist.“ Trotzdem verspricht er, „alles zu unternehmen“, um einen geeigneten Versammlungsort zu finden.

Auch Attac gehört zu den NGOs, die in Calgary dabei sind. Das Infozelt wird vor allem von Mitgliedern aus Frankreich und Quebec bestückt, aus Deutschland reist keine Delegation an. „Wir mobilisieren für den EU-Gipfel in Sevilla die Woche vorher“, erklärt Attac-Sprecher Felix Kolb. Ganz bewusst schicke dagegen der Entwicklungsverband Weed jemanden nach Calgaray, so Mitarbeiter Rainer Falk: „Es ist weit weg, aber wir wollen als Zivilgesellschaft trotzdem Präsenz zeigen.“ KATHARINA KOUFEN

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