Frankreich rechts

Bei den französischen Parlamentswahlen gewinnen die Konservativen eine sichere Mehrheit. Bis auf die sozialdemokratische PS verlieren alle anderen

aus Paris DOROTHEA HAHN

Jubel kam am Sonntagabend in Paris nirgends auf. Nicht einmal bei den französischen Konservativen der Präsidentenpartei UMP, die im ersten Durchgang der Parlamentswahlen, mit 33 Prozent, das erwartet gute Ergebnis bekam und sich nun darauf einstellt, dass ihre Übergangsregierung im Amt bleiben kann. Vorausgesetzt, in der Stichwahl am kommenden Sonntag bestätigen die Franzosen die Tendenz.

„Kein Triumphalismus“, kommentierte Frankreichs Noch-Übergangsregierungschef, der Chirac-nahe Provinzpolitiker Jean-Pierre Raffarin, das Wahlergebnis am Sonntagabend. Dann äußerte er sich besorgt über die hohe Quote der Enthaltungen. Mit über 35 Prozent haben mehr Franzosen diese Wahlen geschnitten als alle Parlamentswahlen zuvor.

Die Tendenz ist eindeutig: Ganz Frankreich wird rechts. Von den Gemeinden über die Regionen bis in die beiden Kammern des Parlaments (der Senat und jetzt auch die Nationalversammlung) werden die Konservativen überall stabile Mehrheiten, wenn nicht sogar absolute Mehrheiten haben. Selbst die eigentlich zur Kontrolle von Regierung und Parlament gedachten Gremien, wie etwa der Verfassungsrat und Rundfunk- und Fernsehaufsichtsrat CSA – sie werden kein echtes Gegengewicht mehr sein. Denn auch dort verfügen die Konservativen über die Mehrheit.

In der 577 Sitze umfassenden Nationalversammlung kann die UMP über zwei Drittel der Sitze erwarten. Zusammen mit der rechtsliberalen UDF von François Bayrou, die am Sonntag auf 4,9 Prozent der Stimmen geschrumpft ist, wird sie zwischen 370 und 419 Sitze bekommen.

Deutlich zeigt die Tendenz vom ersten Wahlgang auch, dass die sozialdemokratische PS schon jetzt eine historische Gewinnerin der jüngsten politischen Verwerfungen in Frankreich ist. Sie schneidet mit über 25 Prozent der Stimmen (119 bis 170 Sitze) sogar besser ab als bei den letzten Parlamentswahlen von 1997. Damals entstand die rot-rosa-grüne Regierung. Anders als damals sind dieses Mal sämtliche anderen Kräfte der parlamentarischen Linken geschwächt.

Am härtesten trifft es die KP, die mit nur 4,9 Prozent einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Statt bislang 35 hat die Partei bestenfalls noch 17 Parlamentssitze zu erwarten, schlechtestenfalls noch acht. Eine eigene Fraktion kann sie damit nicht mehr bilden. Auf einem bereits anvisierten Krisenparteitag muss sich die KP demnächst der Existenzfrage stellen.

Weit unter ihren Erwartungen bleiben auch die Grünen mit 4,4 Prozent. Im besten Fall werden die Grünen sieben, im schlechtesten Fall nur einen Abgeordnetensitz bekommen.

Ums schiere Überleben kämpft jetzt der „Pôle Républicain“ des Linkssozialisten und Exinnenministers Jean-Pierre Chevènement. Er bekam 1,1 Prozent der Stimmen und darf maximal drei parlamentarische Sitze erwarten. Er könnte aber auch ganz außen vor bleiben.

Radikal geschrumpft sind auch die trotzkistischen Kräfte außerhalb des Parlamentes. Von zusammen über zehn Prozent im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen am 21. April schrumpften sie – gemeinsam! – auf nicht einmal drei Prozent an diesem Sonntag.

Mit eisiger Miene kommentierte schließlich der Führer der Front National das Wahlergebnis. Seine Partei hat, zusammen mit der zweiten rechtsextremen Formation, MNR, am Sonntag nur 12,5 Prozent der Stimmen bekommen. Sechs Prozent weniger als bei den Präsidentschaftswahlen, die Le Pen vor einem Monat zum zweitstärksten Politiker Frankreichs gemacht hatten.

Im Gegensatz zu ihren Erwartungen schafften die Rechtsextremen nur in rund 30 Wahlkreisen den Sprung in die Stichwahl. Im für sie günstigsten Fall können sie zwei Sitze in der künftigen Nationalversammlung erwarten. Möglich ist aber auch, dass sie weiterhin außen vor bleiben.

Letztere Perspektive, die sich allein aus dem französischen Mehrheitswahlrecht ergibt, nannte Le Pen am Sonntagabend „undemokratisch“. Die Verantwortung für das schlechte Abschneiden seiner Partei begründete er mit dem „Boykott durch die Politiker des Establishments“ und mit jenem der Medien. Zugleich kündigte der Rechtsextreme an, dass seine Partei in Frankreich präsent bleibe.