Auferstehung

Hommage an eine fast vergessene Sängerin: Fritschs „Nico. Sphinx aus Eis“ am Thalia in der Gaußstraße

Eine zu Eis erstarrte Schönheit, ein gefrorenes Bild, losgelöst vom wahren Ich: Weibliche Übergröße unserer nächsten Vergangenheit ist Nico, die als Model begann, dann Sängerin bei den legendären Velvet Underground wurde. Nico. Sphinx aus Eis heißt folgerichtig das Stück des Dramatikers Werner Fritsch, der darin die in gewissen Kreisen zur schönsten und reinsten Frau der Welt Stilisierte noch einmal aus dem Jenseits herüberrufen lässt. In der Regie von Thomas Krupa – die bereits vierte Zusammenarbeit mit Fritsch – war die Hommage jetzt als Gastspiel vom Staatstheater Darmstadt im Thalia in der Gaußstraße zu sehen.

So bekannt Nico in den 50ern als Model und ab Ende der 60er als Musikerin in New York war, täuscht dies jedoch nicht darüber hinweg, dass sie vielen Menschen heute kein Begriff mehr ist. Dies dürfte ausschlaggebend für die geringen Besucherzahlen beim vielerorts eingeladenen Stück sein. Ein Jammer. Denn auch wenn sich Nico. Sphinx aus Eis sich im Wesentlichen an den bekannten Fakten – vor allem am 1995 erschienenen Film Nico Icon – orientiert, konzentiert sich Werner Fritsch doch auf das Innenleben der Figur. Karin Klein, die Fritsch während des Schreibens bereits im Hinterkopf hatte, ist Nicos unheimliches Konterfei. Sie hat nicht nur exakt das gleiche Timbre und Volumen in der für Nico so charakteristischen Schieflage, sondern sieht auch so aus: Mit schwarzem Ledermantel und blonder Perücke, schwarzgeschminkten Augen im hohlwangigen Gesicht, mit schleppendem Singsang und mahlendem Unterkiefer erweckt Klein eine Nico zum Leben, die noch etwas geraderücken muss.

In der Darmstädter Inszenierung steht Nico als Nico und nicht als Groupie oder Mitläuferin auf der Bühne. Sie ist ein Drogenwrack, aber ein klar sehendes: „Fuck off, Mann!“, leiert sie genervt allen entgegen, die wissen wollen, was sie unter dem Mantel anhat. Wer sie musikalisch dominieren will, muss das Fiepen eines Megaphons als Verweigerung akzeptieren.

Natürlich kann man einwenden, dass bei dieser Inszenierung vom Sprechtheater wenig übrig bleibt. Doch das Gesamtkunstwerk von Fritsch/ Krupa zusammen mit Meyers‘ Kompositionen von fast zu fröhlichen Klavierakkorden über das obligatorische Harmoniumseufzen ergibt einfach ein richtig gutes Konzert in bester Tonqualität. Und als Alternative zu den Chili Peppers auf dem Saturn-Hansa-Dach ist ein Auftritt der wiederauferstandenen Nico sicher nicht das Schlechteste. Liv Heidbüchel