DEN USA IST IN AFGHANISTAN DIE STABILITÄT WICHTIGER ALS DIE DEMOKRATIE
: Karsai und die Warlords

Mit dem von Washington erzwungenen und von der Nordallianz geforderten Verzicht des Exkönigs Sahir Schah auf eine Kandidatur für das afghanische Präsidentenamt wurde die Loja Dschirga zur Farce. Vielen Delegierten wurde die Möglichkeit genommen, ihren Wunschkandidaten zu wählen, einem Teil der Bevölkerung die Stimme genommen. Dies lässt sich nicht dadurch entschuldigen, dass der Exkönig im Unterschied zu Interimsregierungschef Hamid Karsai bisher keine substanziellen Vorschläge zum Wiederaufbau des Landes gemacht hat, seine frühere Regentschaft verklärt wird und er mit seinen 87 Jahren ohnehin geschwächt ist. All diese Einwände hätten Sahir Schah chancenlos machen können. Doch stattdessen drängten ihn in den letzten Wochen immer mehr Afghanen zur Kandidatur.

Hinter der Beliebtheit des früheren Monarchen steht nicht nur paschtunischer Chauvinismus, sondern vor allem die Unbeliebtheit der tadschikischen Pandschir-Fraktion der Nordallianz. Diese steht den Taliban in ihren Verbrechen nicht nach und ist mit kriminellen Elementen durchsetzt. Unter deren mafiösem Verhalten leidet heute die Bevölkerung. Der Exmonarch hielt sich in den letzten 23 Jahren aus allen Fraktionskämpfen heraus. Demgegenüber ist Karsai bei den Warlords, die von den USA an die Macht gebombt wurden, gerade deshalb so beliebt, weil er sich gegen sie nicht durchsetzen kann. Die Amerikaner haben die Warlords in ihren Krieg gegen den Terror eingespannt und deshalb weiter be- und nicht entwaffnet.

Washington setzt auf Karsais Bündnis mit den Warlords und will es nicht durch demokratische Regungen der Loja Dschirga gefährdet sehen. Die Botschaft der USA in Kabul lautet: Stabilität geht vor Demokratie. Damit wird nicht nur die Demokratie desavouiert und ihren afghanischen Anhängern vor den Kopf geschlagen. Übersehen wird auch, dass gerade die Warlords immer wieder die Stabilität gefährden. Erst wenn alle Bevölkerungsgruppen an Entscheidungen beteiligt werden, kann Afghanistan stabil werden. Diese Chance haben jetzt die USA verspielt. SVEN HANSEN