Schweinisch belastet

Gesundheitsbehörde nennt die Namen von 20 Hamburger Bioläden. Wer hier Schweinefleisch gekauft hat, soll es zurückbringen – Nitrofen-Verdacht. Für die einen ist das „Rufmord“, für die anderen „Verbraucher verunsichernd“

von SANDRA WILSDORF

Die Behörde für Umwelt und Gesundheit nennt Namen: Namen von 20 Hamburger Bioläden und Reformhäusern (www.hamburg.de unter Umwelt und Gesundheit). Die Behörde rät „vom Verzehr des dort gekauften Schweinefleisches ab“ und empfiehlt „sofortige Kontaktaufnahme mit ihrem Händler“. Grundlage seien Informationen des Umweltministeriums Schleswig-Holstein, wonach die betroffenen Geschäfte von einem Schlachtbetrieb beliefert worden seien, der zwei nitrofenbelastete Schweine von einem Demeter- Hof verarbeitet habe. Die Fleisch- und Wurstprodukte werden zurückgerufen und vernichtet.

Michael Mrozek, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, erklärt: „Wir hatten keine andere Möglichkeit, an die Endverbraucher heranzukommen, die das Fleisch möglicherweise noch im Kühlschrank haben.“ Michael Rittmeier, Sprecher des Kieler Umweltministeriums, hält die Veröffentlichung hingegen für „amateurhaft und verbraucher-verunsichernd“. Die Liste sollte lediglich dazu dienen, Lebensmittelkontrolleure in den betreffenden Läden nach den betreffenden Produkten suchen zu lassen. Denn es stehen auch Läden auf der Liste, die zwar von der Schlachterei beliefert werden, aber nicht mit Nitrofen-Schweinen. „Schwarzbrot“ im Grindelviertel beispielsweise. Mitinhaberin Birte Gobrecht ist empört: „Ich habe vergangene Woche keine Lieferung von der Schlachterei bekommen. In der Woche davor habe ich Filet von einem anderen Schlachter bestellt.“ Diese Liste grenze an „Rufmord“ und „kann uns den Hals brechen“. Thomas Lotz von „Manna“ in der Osterstraße hingegen findet die Veröffentlichung „grundsätzlich okay“. Nur präziser hätte sie sein sollen „die wissen doch, dass es um Fleisch eines bestimmten Betriebes und einer Lieferung geht. So wird alles über einen Kamm geschoren.“

Bei ihnen wären zwei Stück Schweinefleisch betroffen. Die seien verkauft, „und vielleicht noch nicht verzehrt“. Für den Schlachter, das Bäuerliche Gemeinschafts-Schlachthaus in Henstedt-Ulzburg ist die Produktion einer ganzen Woche hinüber, denn die Schweine wurden mit anderen Tieren verarbeitet, „die wogen 200 Kilo, die fünffache Menge wird vernichtet“. Zahlen werde wohl niemand für den Schaden, fürchtet Inhaber Kurt Möhle. Vielleicht wende er sich an den Lieferanten.

Das ist der Hof Dannwisch bei Horst. Dort leben fünf Familien auf und von dem Hof, der seit 1957 biologisch-dynamisch bewirtschaftet wird. Eigentlich arbeitet er mit geschlossenen Kreisläufen, produziert sein eigenes Futtergetreide. Seit vielen Jahren zum ersten Mal musste die Gemeinschaft im Mai Futtergetreide für die Schweine zukaufen, weil die Ernte schlecht ausgefallen war. Wie ihnen ging es auch anderen Demeter-Höfen, so dass es nur Getreide aus ökologischer Erzeugung gab, deren Handelswege für den Hof nicht mehr nachvollziehbar waren. Als sich herausstellte, dass es sich dabei um das nitrofenbelastete Getreide handelte und die Dannwischer Schweine seit dem 10. Mai davon fraßen, informierte der Hof Ministerium und Schlachterei. „Seitdem stehen wir mit dem Rücken zur Wand“, sagt Thomas Scharmer. Ihre Existenz sei bedroht. Die restlichen Futtermittel würden entsorgt, was mit den Schweinen passiere, sei unklar. Trotzdem. „Wir machen die richtige Sache. Wir sind verwickelt, aber der Fehler liegt woanders.“