Airport City in Ganderkesee?

Dagegen kann man kaum anstinken: Die Gemeinde Ganderkesee bietet Gewerbeflächen ohne örtliche Bauauflagen. Die Kosten sind verschwindend gering, die Großstadt gleich um die Ecke

Übernachtung am Waldrand, Kundengespräche in der Jägerklause

Viel kann man noch nicht sehen vom neuen Gewerbegebiet ‚Westtangente‘ am Rand der Gemeinde Ganderkesee, zwanzig Bahnminuten von Bremen. Ein Kreisel auf der grünen Wiese, von dem ein paar dicke Straßen abgehen und ein paar weniger dicke. Dass man noch nicht viel sehen kann, ist irgendwie sinnig, denn genau darum geht es: um Dinge die man nicht sehen kann. Die 31.000-Seelen-Gemeinde will Unternehmer anlocken, die ihren Wunschfirmensitz im Kopf haben und nicht in den Bauleitzeichnungen von Beamten wiederfinden.

Örtliche Bauvorschriften – die zum Beispiel in weiten Teilen des Bremer Technologieparks für ein abgestimmtes Bild sorgen – gibt es nicht. Wer mit einem ungewöhnlichen Haus seine Philosophie nach außen tragen will, ist willkommen. Sogar integrierte Arbeits- und Wohnlösungen sind ausdrücklich zugelassen. „Es ist ein Experiment“, sagt Bürgermeister Gerold Sprung (SPD), „aber wir sind als Gemeinde bekannt für Experimente.“

Dazu zählt er auch die Ansiedlung von Crea Audio Vision, einer Multimediafirma, die sich vor fünf Jahren gegen die Expansion in Bremen/Hastedt und für einen Neubau in Ganderkesee entschieden hat. Rosa und blau stehen die Gebäudeteile auf einer Naturwiese, die Fenster sind kreuz und quer über die Wände verteilt.Die Klos sind draußen, „damit die Mitarbeiter merken, welches Wetter ist.“ Die Genehmigung des Neubaus, lobt Firmensprecher Andreas Kölling, „hat zehn Minuten gedauert“. Bürgermeister Sprung ergänzt: „Wenn man so einen verrückten Entwurf sieht, kann man nur ja oder nein sagen. Wir haben ja gesagt.“ Und was, wenn einer die Gestaltungsfreiheit nutzt, um alle Standards noch zu unterlaufen? „Das regeln wir über den Kaufvertrag. Wir können sagen, an den oder den verkaufen wir nicht.“

Doch der ästhetische Spielraum ist bei weitem nicht der einzige Standort-Vorteil, mit dem die Gemeinde im Bremer Speckgürtel um Neuansiedlungen wirbt. Ein Quadratmeter im Gewerbegebiet Westtangente kostet 20 Euro, in Bremen liegt der Schnitt bei 80 oder hundert Euro. „Trotzdem sind sie in 25 Minuten im Bremer Theater“, schwärmt der Bürgermeister, „und haben eine Großstadt und mit Oldenburg und Delmenhorst zwei Kleinstädte in der Nähe, und die Autobahn ist anderthalb Kilometer entfernt.“ Damit nicht genug. In Spuckweite des neu entstehenden Gewerbegebietes, das auf 5 von insgesamt 20 Hektar Dienstleistungsgewerbe vorsieht, liegt der Flughafen von Ganderkesee. Entstanden aus einer „Schnapsidee“, so Jochen Sauer, Chef des Flughafenbesitzers Atlas Air Service, sitzt hier heute die weltweit größte Cessna-Vertretung. Flugtaxen starten von hier aus, ein Hotel verströmt internationales Flair. Auch wenn die Unternehmer, die man sich im neuen Dienstleisterpark wünscht, nicht mit dem Flugzeug zur Arbeit kommen werden: „Als Standortfaktor wirkt es“, glaubt Sauer. Nicht zuletzt, weil dank der angegliederten Industrie zweimal am Tag der United Parcel Service verkehrt, „und das kriegen die Neuen quasi als Service geschenkt.“

Die Geschäftsleitung von Umweltschutz Nord, einem weltweit führenden Umwelt-Technologie-Unternehmen, hat sich allerdings schon vor Jahrzehnten ebenfalls aus Bremen davongemacht. „Wir waren damals eine junge Firma mit 15 Mitarbeitern und brauchten dennoch einen Platz mit bezahlbaren Erweiterungsmöglichkeiten.“ In Bremen seien sie da nicht fündig geworden. „Hätte es damals ein Gewerbegebiet wie die Hemelinger Marsch gegeben, wir hätten uns überlegt, ob wir da bleiben“, sagt Geschäftsführer Emmo Pötzsch, aber auch dann gebe es Argumente gegen die Stadt. Die Internationale Kundschaft würde in den Städten morgens an-, abends zurückfliegen. „Hier übernachten sie im Hotel am Waldrand und unsere Gespräche führen wir in der Jägerklause. Das ist halt was besonderes“. hey