off-kino Filme aus dem Archiv –Frisch gesichtet

In den frühen 50er-Jahren gelangte ein Subgenre des Kriminalfilms zur Blüte, das die minutiöse Planung und Durchführung eines Einbruchs oder Raubes in den Mittelpunkt rückte: der so genannte „Big caper“-Film. Ausführlich stellten diese Filme die handelnden Personen und ihre Funktion bei der Verwirklichung des großen Coups vor, ihre „handwerklichen“ Stärken und ihre charakterlichen Schwächen, die das Verbrechen in aller Regel nach einer eigentlich geglückten Durchführung dann doch noch scheitern lassen. Auch Stanley Kubricks „The Killing“ (1956) folgt durchaus den Genre-Regeln: Da möchte der gerade aus der Haft entlassene Verbrecher Johnny Clay (Sterling Hayden) die Tageseinnahmen einer Rennbahn rauben und schart zu diesem Zwecke Leute um sich. Neben Johnny machen sich der Finanzier Marvin, ein korrupter Polizist, zwei Mitarbeiter der Rennbahn, unter ihnen der Kassierer George (Elisha Cook Jr.), sowie zwei Männer, deren Aufgabe in der Ablenkung vom eigentlichen Coup besteht, ans Werk. Und von Beginn an lässt der Film keinen Zweifel daran, dass George, der schüchterne Kassierer, das größte Potenzial des Versagens in sich birgt. Ist er doch mit einer Gattin gesegnet, die ihn nicht nur verachtet, sondern zu allem Überfluss auch noch mit einem Konkurrenz-Gangster verbandelt ist …

Ganz ungewöhnlich sind in „The Killing“ die Strukturierungen der Zeitabläufe: Der in vielen verschachtelten Rückblenden erzählte Plot setzt sich erst langsam wie bei einem Puzzle zusammen, oft bekommt man zeitgleich ablaufende Vorgänge sogar aus den verschiedenen Blickwinkeln der handelnden Personen zu sehen. Und doch ist der Film – nicht zuletzt dank genauer Zeitangaben und einer alles zusammenhaltenden Erzählerstimme – alles andere als wirr: ein kühl kalkulierter Thriller, der mit seinem teils blutigen, teils fatalistischen Finale und der Femme fatale am Rande auch auf den Film noir verweist.

„The Killing“ 14. 6.–17. 6. im Regenbogenkino

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Die Geschichte gibt es auch als Zeichentrickfilm des Disney-Studios: 1949 verfilmte man dort Washington Irvings „The Legend of Sleepy Hollow“ als einen der beiden etwa halbstündigen Teile des merkwürdig betitelten Werkes „The Adventures of Ichabod and Mr. Toad“. Es ist anzunehmen, dass der ehemalige Disney-Animator Tim Burton, der sich vor drei Jahren an die Realverfilmung des Stoffes wagte, den Trickfilm kannte – doch allzu inspiriert war er davon dann vermutlich doch nicht. Denn bei Disney ist Ichabod Crane, der als neuer Lehrer im verschlafenen Nest Sleepy Hollow engagiert wird, eher eine Witzfigur, die ihrem übermäßigen Aberglauben zum Opfer fällt: Nachdem eine Spukgeschichte seine Fantasie über alle Maßen angeregt hat, begegnet Ichabod auf dem nächtlichen Heimweg dem schwertschwingenden „kopflosen Reiter“, der sich am nächsten Tag – Ichabod ward nie wieder gesehen – freilich als Überbleibsel einer Halloween-Dekoration erweist. Bei Burton besitzt die Spukgestalt dagegen schon eher Hand und Fuß (wenngleich ihr immer noch der Kopf fehlt): Hier kommt Ichabod (Johnny Depp) am Ende des 18. Jahrhunderts als Polizist in den kleinen Ort, um eine merkwürdige Mordserie aufzuklären, und geht dabei mit für die Zeit ungemein wissenschaftlichen Methoden zu Werk. Doch angesichts rollender Köpfe, kopfloser Reiter und des hübschen Gesichts Katrina van Tassels (Christina Ricci) wird er zusehends immer verwirrter – den überragenden Johnny Depp zu beobachten, wie er langsam von seinem hohen Ross herunterkommt, ist ein ganz besonderes Vergnügen.

„Sleepy Hollow“ 17. 6. Freiluftkino Kulturforum am Potsdamer Platz

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Nach seinem autobiografisch inspirierten Meisterwerk „8 1/2“ schickte Federico Fellini für seinen ersten Farbfilm Ehefrau Giulietta Masina auf die Reise ins Land der Träume, Fantasien und psychiatrischen Sitzungen: In „Julia und die Geister“ macht sie sich an die Stärkung ihres Selbstbewusstseins und gerät in einen frühpsychedelischen Bilderbogen, der auch von den Drogenerfahrungen des Ehemanns kündet.

„Giulietta degli spiriti – Julia und die Geister“ (OmU) 14. 6. im Filmtheater am Friedrichshain; 16. 6. im Delphi; 17. 6. im Thalia Babelsberg

LARS PENNING