Akten: Schily gegen SPD-Fraktion

Das Innenministerium legt einen alternativen Entwurf zum Stasi-Unterlagen-Gesetz vor. Bespitzelte Promis haben danach bei fast allen Unterlagen das letzte Wort – das Gegenteil des Entwurfs von Schilys eigener Fraktion. Opposition hocherfreut

von PHILIPP MÄDER

Das Papier ist harmlos mit „Bundesministerium des Innern – Alternativentwurf StUG“ überschrieben. Es geht um die Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, die zurzeit im Bundestag behandelt wird. Weniger harmlos ist der Inhalt des Papiers. Darin wird vorgeschlagen, dass die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit, Marianne Birthler, nur noch Akten herausgeben darf, die nicht „unter Verletzung von Grundrechten“ entstanden sind. Und alles andere als harmlos ist die Tatsache, dass sich der „Alternativentwurf“ des Innenministeriums gegen den Gesetzesvorschlag richtet, den die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit der Fraktion der Grünen Ende Mai fast einstimmig verabschiedete. Allerdings gegen den Willen ihres eigenen Innenministers Otto Schily.

Die erste Schlacht ist verloren, der Krieg noch nicht, wird sich Schily damals gesagt haben. Denn nun schlägt er zurück: Am Montag präsentierte sein Staatssekretär im Innenministerium, Fritz Rudolf Körper, den „Alternativentwurf“ zum Stasi-Unterlagen-Gesetz einer informellen Gesprächsrunde unter Ausschluss der PDS. Schily wird sich über das Echo von CDU/CSU und FDP gefreut haben: Sprach sich die Opposition noch strikt gegen den Entwurf der Regierungsfraktionen aus, so stimmt sie nun angesichts des Papiers aus dem Innenministerium sanfte Töne an: Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, sagte zur taz, der Vorschlag aus dem Innenministerium komme seinen Vorstellungen „weit entgegen“. Hauptsächlich seien noch redaktionelle Fehler zu korrigieren. Edzard Schmidt-Jortzig von der FDP versicherte gar, seine Partei werde dem vorliegenden Papier sofort zustimmen.

Die Begeisterung der bürgerlichen Parteien vermag nicht zu erstaunen. Zwar sieht der Entwurf weiterhin vor, dass Birthler das letzte Wort bei der Herausgabe der Akten hat. Falls die Betroffenen aber ihr Einverständnis zur Veröffentlichung nicht geben, dürften Informationen zu Personen der Zeitgeschichte nur noch dann herausgegeben werden, wenn diese Informationen im Einklang mit den heutigen Grundrechten gewonnen wurden. Doch die Stasi war kein rechtsstaatliches Unternehmen. Nur Zeitungsausschnitte würden den Anforderungen genügen.

Vorläufig ist noch nichts entschieden in Sachen Stasi-Unterlagen-Gesetz. Die CDU verlangte gestern im Innenausschuss, dass nochmals eine Expertenanhörung durchgeführt wird. Diese wird voraussichtlich am 24. Juni stattfinden. Damit kann das Gesetz nur noch dann vor den Bundestagswahlen verabschiedet werden, wenn die Opposition zu einer Beschleunigung des Verfahrens im Bundesrat bereit ist. Dies werden CDU und FDP aber nur tun, wenn die rot-grüne Fraktion ihren Vorstellungen so weit entgegenkommt, dass das Gesetz ihre Zustimmung findet. Cem Özdemir, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, ist sich sicher, dass die Regierungsfraktionen bei ihrer Version des Gesetzes bleiben werden. Wolfgang Bosbach hingegen gab sich gegenüber der taz überzeugt, dass die Meinungen in der SPD noch nicht endgültig gemacht seien. Dieter Wiefelspütz von der SPD widersprach gegenüber der taz: „Schily darf einen Vorschlag machen. Aber wir entscheiden.“