Gefährdung und Zartheit

Eine Installation der chinesischen Künstlerlin Qin Yufen speziell für den Eingangsraum der Bremer Kunsthalle: Heute wird die Documenta-like Klanginstallation aus Stacheldraht und Seide eröffnet

Qin Yufens „Beautiful Violence“ ist in Stacheldraht und Seide gebettetBei Qin Yufen ist Kunst ein politischer Akt – zumal unter chinesischer Diktatur

Eine riesige Menge Stacheldraht ist durchsetzt mit Luftballons: „Beautiful Violence“ nennt die 1954 geborene Chinesin Qin Yufen ihre 2001 entstandene Installation, die im Museum für zeitgenössische Kunst in Pittsburgh zu sehen ist. Den Stacheldraht hat die seit 1986 in Berlin lebende Künstlerin nun ein zweites Mal verwendet, diesmal konfrontiert sie ihn in Bremen für „Zeit für Dialoge“ zusammen mit chinesischer, in Kräutern gefärbter gelber Seide.

Der Förderkreis für Gegenwartskunst im Kunstverein Bremen hat diesen Auftrag vergeben. Heute Abend wird die Installation der Chinesin um 18 Uhr in der Kunsthalle zum ersten Mal gezeigt (zu sehen noch bis 18. August).

Bei der Pressekonferenz einen Tag zuvor lag dagegen noch viel Stacheldraht auf dem Boden – ganz fertig war Yufen so kurz vor knapp doch noch nicht. Kunsthallen-Leiter Wulf Herzogenrath greift also nicht zu hoch, wenn er der Installation die Zugehörigkeit zur diesjährigen Documenta XI sowohl im Thema (Dialog der Kulturen) als auch in der Qualität bescheinigt. Sie gibt auf vielfältige Weise Antwort auf die brisante Frage, wie KünstlerInnen mit Zeitgeschichte umgehen. Können sie reagieren, sollen sie reagieren? Bei Yufen kommt hinzu, dass sie aus einer Diktatur stammt, in der schon die bloße Existenz als KünstlerIn ein politischer Akt ist.

Große Kunst kann nie direkter, illustrierender Kommentar sein, und in diesem Sinne strahlt „Zeit für Dialoge“ fast einen poetischen Zauber aus, der den Betrachter sofort nachhaltig in seinen Bann nimmt. Yufens Materialien – wie in anderen Arbeiten Reispapier, Bambus und immer wieder Seide – haben sinnverweisenden Charakter, den Herzogenrath mit „Gefährdung und Zartheit“ bezeichnet.

So liegen zum Beispiel auf dem Tisch darunter Weltkarten, die vom Zuschauer beschrieben werden dürfen, was einen zusätzlichen Dialog zwischen Künstlerin und BetrachterIn ergibt. Alle Installationen vollendet Yufen durch umgebende Klangräume, so auch hier: Aus sechs Lautsprechern, die den Raum umstellen, erklingt eine Montage der unterschiedlichsten Töne: chinesischer und asiatischer Musik, von den Philippinen, aus Bachs Matthäus-Passion und der Musik Hildegard von Bingens. So unterschiedlich und doch im Zusammenklang irgendwie immer ganz sanft beruhigend, meditativ, aber deutlich im Verweis auf Reibungen ausgelegt.

„Zeit der Dialoge“ ist, wie alle Arbeiten von Yufen, für einen konkreten Raum entstanden, wie hier für den Eingangsraum in der Bremer Kunsthalle. Hoch ragt das Seidenzelt in das Oval, der Stacheldraht versucht zu folgen und umgekehrt verhakt sich die Seide im Stacheldraht. Gefährlich verletzlich.

Ute Schalz-Laurenze