Frühlingsfest am Bach

Die Woche der schönen Wahrheiten (5). Heute: Forellen und Sumpfhaubenpilze

Wenn man einen Platz sucht, an dem es beschaulich zugeht, dann ist man am Ufer des Forellenbaches bestens aufgehoben. Stundenlang könnte man hineinstarren und dem Wasser beim Fließen zuschauen. Und der Bachforelle beim Schweben. Ein scheinbarer Friede, denn der Raubfisch mäandert sonst ständig in Lauerposition. Eine Fliege, ein Wasserläufer, irgendwas wird schon aufzutreiben sein. Den Wasserlauf hat die Bachforelle mit ihren Kolleginnen einvernehmlich in Reviere aufgeteilt, und wenn man sich nicht gerade tölpelhaft an den Ufersaum fläzt, dann lassen sich nicht weiter darin beirren. Je nach Licht schimmert ihr torpedoförmiger Leib mal oliv, mal grünlich, mal metallic. Und in den Schuppen spiegelt sich die aquare Welt vom Grund. Gewohntermaßen ist das Wasser klar und sauber, bis auf gelegentliche Ausnahmen. Doch erträgt sie es. Denn mit ihren kurzen Flossen kann sich die Bachforelle schlecht die Nase zuhalten, wenn Bauer Rensens Plumsklo und der dazugehörige Überlauf in ihre Rechte treten.

Das Ambiente stimmt. Der Lufteintrag am knorrigen Wehr aus angeschwemmten Ästen und Prilflaschen schafft kleine silberne Perlen. Die Kiesel blitzen, das Blattwerk der Uferböschung qualmt wie grüne Wolken aus dem Boden. Nur die gestern weggeworfene Kinder-Pingui-Packung übertreibt es mit den dekorativen Aspekten ein bisschen.

Von modischem Schnickschnack völlig unbeeindruckt, nennt sich der Uferschmuck nach wie vor Holunder, Schneeball, Kreuzdorn, Bittersüß, Sumpfdotterblume, Flammender Hahnenfuß, Schachtelhalm, Wasserschlierling, Flussampfer, Minze, Farn und Sumpfvergissmeinnicht. Das ist nicht nur gut für den Wiedererkennungseffekt.

Natürlich ist die Bachforelle nicht lustig, wie es landaus, landein besungen wird. Sie kann nicht einmal lächeln. Im Gegensatz zu anderen Süßwasserfischen, deren Gesichter oft etwas Klagendes, Genervtes oder auch Erschrockenes zur Schau tragen, blickt die Bachforelle höchstens erstaunt. Und sie blubbt auch nicht so dümmlich-träge wie der Karpfen nach den Sauerstoffmolekülen. Aber dieser lahme Geselle hat hier überhaupt nichts verloren. Die Bachforelle füllt ihr Amt mit Würde und Arroganz aus. Wie es ihr zusteht. Sie hat hier das Sagen. Und ihre Fettflosse ist feurigrot gefleckt. Wie ein blinkender Schlüsselanhänger.

Ein Libellengeschwader patrouilliert in schicken blauen Uniformen, peinlich genau abgestimmt auf die leuchtend honiggelben Hüte der winzigen Sumpfhaubenpilze, die hier überall aus dem Quellmoos wuchern. Diese Herrschaften sind heute für die Beleuchtung zuständig. Zwei bis drei Zentimeter lang, wie kleine Q-Tips, die hohlen Stiele im Sojasprossenoutfit, die Hütchen rundlich bis walzenförmig, auch birnenförmig bis keulig. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Befestigt sind sie an abgesunkenen Blättern und Zweigen. Das ist auch nötig, denn heute ist ein großer Tag. Ein Frühlingsfest findet statt im und am Bach. Zehn Jahre Renaturierung und Rückbau. Seine Fluten scheppern freudig mit 80 bpm. Nur wenige Breaks. Darüber das Gesumme von den Hummeln. Einige passende Fills haben die Grillen gesampelt. Das ist die kleine Wassermusik.

Eine Schule Köcherfliegenlarven vom Oberlauf erheitert das zahlreich erschienene Publikum mit artistischem Synchronschwimmen. Ein Mückenballett setzt den Tagesablauf von Eintagsfliegen auf der Wasseroberfläche im Zeitraffer künstlerisch um. Braune Kröten laden zum Freeclimbing an den lehmigen Uferhang, die Krebse betreiben einen Kreativstand mit kunstvollem Blätterschneiden und erfüllen eigens für diesen Festtag traditionelles Handwerk mit neuem Leben. Auch für die kleinen Besucher ist gesorgt. Den Käferkindern sind zackige Löwenzahnblätter als Rutschen ins Gewässer angerichtet. Die Kreuzspinne von nebenan hat zwei Netze als Hüpfeburg spendiert. Und die quirligen Kaulquappen haben ein Kastanienblatt als Floß geentert. Da zappeln sie vor Vergnügen. Ausgelassenheit, wohin man blickt.

Und weil ihre Beute für die Dauer der Festlichkeiten Schonzeit hat, hält sich die Bachforelle etwas abseits. Als neutraler Beobachter. Aber munter wie ein Fisch im Wasser. So muss man das sehen. MICHAEL RUDOLF