Kunstvoll geheimniskrämern

Beim DFB-Team rauchen vor dem Achtelfinale gegen Paraguay die Köpfe. Die Frage ist weniger: Wer spielt? Sondern: Wie? Mit Vierer- oder mit Dreierkette? Und: Wer bestimmt das? Völler oder Kahn?

aus Cheju FRANK KETTERER

Südkorea ist für den Europäer ja ein geheimnisvolles Land – und deshalb übt sich, schon um ein guter Gast zu sein, wohl auch der Deutsche Fußball-Bund bei dieser WM in der hohen Kunst des Geheimniskrämerns. DFB-Teamchef Rudi Völler ist zur ersten Pressekonferenz in der Korean Baseball Hall of Fame von Seogwipo, einer leicht muffig riechenden Turnhalle, jedenfalls erst gar nicht erschienen, und Michael Skibbe, sein getreuer Adjutant, kann oder darf auch nichts sagen zum Stand der Dinge, also zur Aufstellung. Es herrscht mehr oder weniger Geheimhaltungsstufe eins vor dem Achtelfinale gleich um die Ecke, im Cheju-World-Cup-Stadium, wo es morgen gegen Paraguay geht. Und sicher ist bis dato eigentlich nur, dass Carsten Ramelow (Gelb-Rot), Didi Hamann und Christian Ziege (je zweimal Gelb) nicht mitwirken dürfen, weil gesperrt, und Jörg Böhme nicht spielen kann, weil bereits nach Hause gereist mit Muskelfaserriss im Oberschenkel. Der große Rest? Weiß keiner so ganz genau, auch wenn natürlich viel spekuliert wird in Reihen des mitreisenden Pressecorps. Marco Bode, Jens Jeremies und Marko Rehmer sind nach den aktuellen Wasserstandsmeldungen die heißesten Kandidaten für einen Platz in der Anfangself, alles andere wäre eine Überraschung.

So geht es auf der Ferieninsel Cheju in diesen Stunden also weniger um die Frage, wer am morgigen Samstag zu bester Frühstückszeit in Deutschland die Brötchen aus dem Ofen holen soll, als vielmehr um die Frage, wie das zu geschehen hat. Und auch da bleibt Skibbe seiner und der Völler’schen Verschleierungslinie treu – und tief in der Deckung. „Wir wollen uns da ein paar Optionen offen halten und können mit Dreier- oder Viererkette spielen, aber auch nur mit zwei Manndeckern“, sagt Skibbe. Und auch, dass das allein Rudi Völler entscheide und er, Skibbe, natürlich. „Die Taktik wird ausschließlich im Trainerstab besprochen“, betont der Bundestrainer nochmals ausdrücklich.

Das muss wohl eigens erwähnt werden, weil bei manchem Pressevertreter durchaus Zweifel an diesem Tatbestand aufgekommen sind, ausgelöst durch einen Disput, den Torhüter Oliver Kahn angezettelt hatte, als er nach dem Platzverweis von Carsten Ramelow und noch vor der Pause im Spiel gegen Kamerun wild gestikulierend Richtung Trainerbank gestürmt war. Kahn, unbestritten Kopf und Sprecher der Mannschaft, hatte eine sofortige Neuordnung der zuvor so kippelnden Defensive bei Völler angefordert – und sie nach der Pause auch prompt bekommen. Da spielte die deutsche Mannschaft erstmals in diesem Turnier mit Viererkette – und weit besser als zuvor.

Ist also Kahn der heimliche Trainer der Mannschaft oder doch zumindest jener, der sie aufstellt und die taktischen Vorgaben gibt, wenn es drauf ankommt? Diese Frage sprach gestern um die Mittagszeit zwar keiner der Pressemenschen aus, letztendlich aber schwebte sie doch ständig über der alten Ruhmeshalle. Und natürlich musste Michael Skibbe da vehement widersprechen, schon weil im anderen Fall auch er mehr oder weniger als Frühstückstrainer enttarnt worden wäre. Zwar nehme man, sprach also Skibbe, auch im Trainerstab die Dinge gern auf, die in der Mannschaft besprochen würden, und prüfe sie wohlwollend, letztendlich aber seien „Ollis Aussagen zunächst einmal unwesentlich“. Wäre ja auch noch schöner, wenn jetzt schon der Olli da hinten in seinem Kasten das Sagen hätte …

Andererseits: Ganz gegen Olli und den Rest der eigenen Mannschaft werden Völler und Skibbe ihre Taktik schon auch nicht ausrichten, und wenn es danach geht, tritt das Land der Liberos am Samstag natürlich mit Viererkette an. „Wir sind uns alle einig, dass die Viererkette ein gutes System ist“, sagte stellvertretend Jens Jeremies, der wohl das Vergnügen haben wird, vor besagter Abwehrreihe mit Rehmer, Metzelder, Linke und Frings zu agieren und damit in der Rolle von Didi Hamann, sich darauf aber auch nicht endgültig festlegen lassen will, weil das natürlich Völler bestimmt. Wie es ohnehin so ist, dass der Trainer „die richtige Entscheidung treffen muss und wir alles dafür tun werden, diese Entscheidung erfolgreich umzusetzen“.

Das ist schön gesagt, und auch Michael Ballack bringt seine Wünsche und Anregungen eher eiertanzend ein, etwa wenn er feststellt, dass die Viererkette im Kamerun-Spiel „fast besser“ funktioniert habe als zuvor die Dreierkette, was aber nicht wiederum automatisch heißen müsse, dass das in jedem Spiel so ist. So recht verstehen will er die ganze Diskussion ohnehin nicht, denn: „Eigentlich gibt es da nichts zu diskutieren“, schließlich habe der Trainer bisher keinen Fehler gemacht und genieße das Vertrauen der Spieler. Und deshalb wird Rudi Völler auch diesmal die Aufstellung der Mannschaft ganz allein bestimmen – und Deutschland am Samstag mit Viererkette spielen.