Mit kleinen Geschenken auf Wählerfang

Vor dem zweiten Wahlgang wirbt Frankreichs Premier mit alten Argumenten für den Sieg. Linke macht auf Optimismus

PARIS taz ■ Die kontroverse Debatte, die PS-Chef François Hollande mit ihm führen wollte, hat Jean-Pierre Raffarin abgelehnt. Begründung: „die Staatsgeschäfte“. Doch an seinem Amtssitz ist der Premier kaum zu sehen. Raffarin macht Wahlkampf. Der gelernte Werbefachmann ist ständig unterwegs. Überall unterstützt der rundliche Mann die Kandidaten des Präsidentenwahlvereins UMP.

Zwei Tage vor dem zweiten Durchgang der Parlamentswahlen sind Raffarins Argumente unverändert: Keine neue Kohabitation. Dem Präsidenten eine echte Mehrheit geben. Unaufgeregt bittet Raffarin um „Vertrauen“. Er haucht ins Mikrofon. Und versichert, dass er „keine Polemik“ wolle.

Von sozialen Themen redet Raffarin nicht. Die „Rentenreform“, das sinkende Lohnniveau, die Privatisierungen, die geplante Einschränkung des Streikrechtes – das kommt bei ihm nicht vor. Er vermeidet auch internationale Themen. Stattdessen verteilt Raffarin kleine Geschenke. Genauer: Versprechen, die er bei einem Wahlsieg der UMP realisieren will. Gestern waren die Jäger an der Reihe. Ihnen versprach er die Verlängerung der Jagdperiode für Zugvögel.

Die Ende April gegründete UMP hat bislang weder Statuten noch einen Chef. Doch ihre Chancen, eine überwältigende, wenn nicht gar die absolute Mehrheit der 577 Sitze in der Nationalversammlung zu erringen, sind groß. Im ersten Durchgang erhielten 41 ihrer Kandidaten die absolute Mehrheit und schafften den Direkteinstieg ins Parlament. Mit den kleinen konservativen Parteien schafften die Rechten mehr als 44 Prozent. Gegenüber 33 Prozent für alle parlamentarischen Linken.

„Noch ist alles möglich“, schreibt PS-Chef Hollande im Wochenblatt Nouvel Observateur. Seinen Optimismus begründet er mit den „mehr als 100 Wahlkreisen“, in denen 2.000 oder 3.000 Stimmen alles entscheiden können. Es ist eine Aufforderung an die 12 Millionen Franzosen, die am letzten Sonntag nicht wählen gegangen sind. Ihre demonstrative Enthaltung hat die Linke viele Federn gekostet. Sie erhielt das schlechteste Ergebnis der Fünften Republik. Von den Trotzkisten über die Kommunisten bis hin zu den Grünen verkamen alle zu Kleingruppen. Bloß die PS rettete die Möbel. Wenn auch nicht überall. In ihren Wahlkreisen sind nicht einmal Parteichef Hollande und Ex-Arbeitsministerin Martine ihrer Wiederwahl sicher.

Die Kandidaten der rechtsextremen Front National sind nirgends die Bestplatzierten. In 37 Wahlkreisen gehen sie in die Stichwahl. In zehn Fällen gibt es „Dreiecke“, in denen sich ein Linker, ein Konservativer und ein Rechtsextremer gegenüberstehen. Anders als früher halten die Konservativen ihre Kandidaten aufrecht, auch wenn sie einem Rechtsextremen zum Einzug ins Parlament verhelfen könnten.

Ihre „Fähigkeit zu Schaden“ hat die Front National auch dort behalten, wo sie nicht an der Stichwahl teilnimmt. In dem lothringischen Wahlkreis Amnéville rief sie zur Wahl des Konservativen Jean Kiffer (RPF) auf. Weil der darin „nicht das geringste Problem“ sieht, statuierte die UMP an ihm das von Staatspräsident Jacques Chirac angedrohte Exempel. Die UMP entzog Kiffer die Unterstützung. Gewählt werden wird er wohl trotzdem.

DOROTHEA HAHN