Kunst nach dem Kaufrausch

Bis vor wenigen Jahren war Herbert Volkmann reich und einer der umtriebigsten Sammler Berlins. Heute ist er pleite und malt selber – aus feiernden Gesichtern blinzelt Kaputtheit zurück. Ein Portrait

von HARALD FRICKE

Nein, keine Fotos. So fotogen sei er nicht, da könne man doch lieber ein Gemälde mehr als Abbildung nehmen, „darum geht es ja, um die Kunst“, erklärt Herbert Volkmann und stellt eine Flasche Wasser auf den Tisch in der leeren Galeriewohnung von Ingeborg Wiensowski. An den Wänden hängen gut ein Dutzend Bilder, Volkmanns Produktion aus den letzten ein, zwei Jahren. Sie wechseln zwischen illustren Partygesellschaften und dem Hangover danach ab, mal raucht eine blassgrüne Figur Crack, mal schiebt eine Frau sich den Kopf eines Spatzen zwischen den Brüsten hoch in den Mund. Immer wieder sieht man einen langhaarigen jungen Mann, der dieser ganzen Hysterie und dem Elend müde zuschaut: Jonathan Meese, der in Performances Ezra Pound, Klaus Kinski oder die Musik von DAF zelebriert hat. Eine ziemlich darke Angelegenheit, aber sehr berlinerisch.

Dass Volkmann das alles malt, ist mehr als verwunderlich. Schließlich war er der Mann, um den sich die Szene drehte, die nun auf seinen Bildern erscheint. Er war zwar nicht Gott in der mythisch aufgeladenen Berliner Kunstwelt, wie Meese sie sah; doch zumindest dessen rechte Hand: Volkmann hat in den Neunzigerjahren junge Kunst aus Berlin zusammen mit Arbeiten von internationalen Künstlern gesammelt und so den Berliner Status als kommende Kunstmetropole mitbegründet. Da war er knapp Mitte Vierzig und ein sehr wohlhabender Händler auf dem Fruchthof am Westhafen.

Heute ist Volkmann 48 Jahre alt und pleite. Die Sammlung wurde schon im Winter 1999 auf Auktionen zerlegt, damit er seine Schulden begleichen konnte. Danach kam das Abtauchen und jetzt steht er als Maler da wie ein Phönix aus dem Untergrund. „Dass jemand in so kurzer Zeit erst Sammler wird und dann zum Künstler mutiert, das ist wohl selten. Auch die Tatsache, dass jemand auf dem Fruchthof arbeitet und danach solche Bilder malt, dürfte ziemlich merkwürdig sein.“ Vielleicht gehört Volkmanns Werdegang zur Berliner Ökonomie, zum Scheitern als Chance, jedenfalls erzählt er vom Aufstieg im Kunstbetrieb und seinem Niedergang im Wirtschaftsleben, als hätte ihn der Möglichkeitssinn nie verlassen.

Dass der Wechsel nicht bloß Zufall war, merkt man an seiner Biografie. In den Siebzigerjahren studierte der gebürtige Berliner an der Akademie der Künste. Von der Malerei kam er bald zu Installationen und zur Performance, „das war zwischen 25 und 35, wenn auch mehr zum Privatvergnügen, Geld hatte ich ja“. Das Problem war nur: Was tun, wenn man als Dandy in der Kunstwelt einen Freischein hat, solange die Finanzierung stimmt? Schließlich waren die Performances für Volkmann keine Spielerei: „Irgendwann kamen die Aktionen in die Gegend von Körperverletzung, wenn man die Leute erreichen will, muss man was machen, was die Leute angeht, also Gewalt, aber ich wollte mich selbst nicht verletzen“. Kurz darauf stellte der Vater ihm ein Ultimatum – entweder Erfolg durch Kunst oder die Arbeit auf dem Fruchthof.

Zehn Jahre blieb es bei Obst und Gemüse in Volkmanns Leben, „dann kamen die bekannten gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in Berlin. Plötzlich zogen innerhalb eines halben Jahres Galerien in die Stadt und mit ihnen internationale Kunst, in einem Umfang, den es hier vorher noch nie gegeben hatte“. Gegen 1994/95 muss bei Volkmann der Knoten geplatzt sein. Innerhalb kürzester Zeit wuchs seine Sammlung so sehr an, dass er sich in der Tauroggener Straße in Charlottenburg eine Wohnung mietete, in der er das Ergebnis seines Kaufrauschs zeigte: Zeichnungen von Franz Ackermann, ein bisschen Damien Hirst, frühe Daniel-Richter-Bilder, dazu Strumpfhosenskulpturen von Sarah Lucas und immer wieder – Jonathan Meese mit seinen Gothic-Environments zu Bayreuth und der Fantasy-Insel Zardoz.

Auf die Frage, wie viele Künstler er gesammelt hat, fängt Volkmann an zu schwitzen, rechnet ein wenig verlegen und murmelt „irgendwas zwischen 60 und 100“. Mit Sicherheit war Matthew Barney von Beginn an dabei. Der frühere Footballspieler, der in Videos oder auf Filmfotos als Satyr posiert und als Extremsportler durch Fahrstuhlschächte klettert, gab Volkmann überhaupt den Glauben an Kunst zurück: „Malerei hatte ich bis dahin als überholte Form abgelehnt, die nur Kitsch hervorbringt. Bei Barney, auch bei Meese fand ich nun Mischformen aus Installationen und Bildern. Damit konnte ich mich identifizieren, das war schon meine Herangehensweise gewesen, als ich selbst Kunst gemacht hatte. Meine Bezugspunkte waren damals Beuys, Bacon, Warhol und Fassbinder – versuchen Sie das mal zu mischen!“

Vermischt hat sich bei Volkmann auch Kunst und Leben, mit der Zeit ziemlich heftig. Irgendwann gehörten die privaten Kontakte, die Vernissagen, die Absturzabende in der Paris-Bar zum Alltag. Es sind vor allem Fotos und Polaroids aus dieser Zeit, die nun in seinen Gemälden wieder auftauchen – als Pop-Art in Ekstase. Trotzdem ist die Stimmung düster, blinzelt ein Stück weit Kaputtheit aus den feiernden Gesichtern zurück. Für Volkmann liegt darin kein Widerspruch: „Ich sehe die Popkultur als Forsetzung der bürgerlichen Kultur, das heißt, sie erzeugt irgendwann die gleiche Normalität in der Lebenshaltung. Also sind wir auch mit unseren Kunstprodukten daran beteiligt und müssen uns fragen, wie man da wieder herauskommt.“

Es mag sein, dass bei Volkmann der Rückblick auf die Exzesse doch eher einem Exorzismus gleicht. Zumindest weiß er, dass seine Malerei wirkt, „das geht gleich in die Nervenreizzone hinein“. Wenn nun Sammler wie der Hamburger Harald Falckenberg, mit dem er früher um die besten Arbeiten konkurrierte, seine eigenen Gemälde kaufen, schließt sich der Kreis – von Maniac zu Maniac. Heute weiß Volkmann, dass er nicht wieder selbst Sammler sein will, „eher der Künstler, der dann auch mal Kunst kauft“. Dabei haben seine Bilder gute Chancen, als Bildgedächtnis Teil der Kunstgeschichte von Berlin zu werden – schon deshalb, weil sie, wie er schweren Herzens feststellt, „die Künstlichkeit zeigen, von dem, was war. Aber das hat mit Sentimentalität nichts zu tun, es gibt diese Situation nicht mehr und aus.“

Bis 30. 6., Sa/So 15 – 19 Uhr, Galerie Wiensowski + Harbord, Goethestr. 69