Erst mal ein Glas Wein

Während Südkoreas Trainer Guus Hiddink nach dem 1:0 gegen Portugal den Achtelfinaleinzug feiern kann, muss mit den selbstzerstörerischen Südeuropäern ein weiterer WM-Favorit heimfahren

aus Incheon RALF ITZEL

Die Hafenstadt nahe Seoul dürfte ihren Platz in der Sportgeschichte Koreas auf ewig sicher haben, jetzt, da dort nach der Geburtsstunde des koreanischen Fußballs auch seine große Stunde geschlagen hat. 1882 kam der Fußball in Incheon an, die Crew eines englischen Schiffes namens Flying Fish hatte ihn an Bord. Nun, 120 Jahre später, ist Koreas Elf an Ort und Stelle der Sprung unter die besten sechzehn der Welt gelungen. Im sechsten Anlauf hat es durch den 1:0-Erfolg gegen die Portugiesen endlich geklappt mit dem WM-Achtelfinale. „Oh, pilsung Korea“, oh, Sieg Koreas.

Es war ein wunderbares Spektakel in Incheon, aber natürlich auch in Seoul, Busan oder auf der Insel Cheju, überall in diesem Land, dem am Spieltag ein rotes Hemd übergestülpt wird. Von Babys bis Greisen jubelten sie alle auf den Plätzen mit den Leinwänden. Und einige Glückliche im Stadion. „Tae-han-min-kuk“, sangen 50.000 unaufhörlich: „Republik Korea“. Korea, das bedeutet Land der Morgenstille, aber abends machen sie einen ohrenbetäubenden Krach.

Es hätte diesem Turnier wehgetan, wäre erstmals ein Ausrichter frühzeitig gestrauchelt. Das Rot gehört schon zu diesem Land wie das Oranje zu Holland, dem Heimatland von Guus Hiddink, der in ein paar Wochen problemlos koreanischer Präsident werden könnte, würde er sich bei den Wahlen bewerben. Den Namen des Trainers skandierten sie die ganze Nacht. „Ich bin ein erfahrener Mann“, meinte der Mittfünfziger, „aber das ist eine große Erfahrung für mich. Ich bin glücklich, mithelfen zu können, den Menschen hier so viel Freude zu bringen.“ Über den nächsten Gegner Italien wollte er erst morgen nachdenken, „nach einem Glas leichtem Wein“.

Mutig hatte seine Mannschaft nach dem Achtelfinalticket gegriffen. Obwohl ein Unentschieden reichte, obwohl zeitgleich Polen Schützenhilfe leistete, drängten sie stets auf den Sieg mit ihren schnellen Spielern, so scharf und gefährlich wie Rasierklingen. Joao Pinto und Beto schnitten sich an ihnen, der erste wurde nach 27 Minuten nach einem rüden Tackling des Feldes verwiesen, der andere sah nach 65 Minuten die zweite gelbe Karte. Zu neunt führte Portugal am Ende einen verzweifelten Überlebenskampf. Mehrmals scheiterten sie knapp auf der Suche nach dem Ausgleichstreffer, der auch ihnen ins Achtelfinale verholfen hätte. Die Enttäuschung war so groß wie die Freude auf der anderen Seite. Während Figo und ein paar andere dem argentinischen Schiedsrichter sportlich die Hand schüttelten, wollten andere ihm an den Kragen.

Aber dass die Entscheidungen vertretbar waren, ahnte wohl auch Trainer Antonio Oliveira, der sie nicht kommentieren wollte und lieber vorausblickte: „Auch morgen geht die Sonne wieder auf“, meinte er mit nachtschwarzer Miene. Nun muss der große Wurf in zwei Jahren bei der Europameisterschaft im eigenen Land klappen. Dann werden die Hoffnungsträger der Fußball-Romantiker das Publikum ebenfalls hinter sich haben, wenn auch nicht in dem Maße wie Korea. Noch lange nach dem Schlusspfiff feierten sie in dem Stadion. Wo wird die Reise der Mannschaft noch hingehen? Es ist nicht so wichtig, denn angekommen ist sie eigentlich schon jetzt.

Portugal: Vitor Baia - Jorge Costa, Couto, Rui Jorge (73. Abel Xavier) - Conceiçao, Petit (77. Nuno Gomes), Bento, Figo - Beto, Pauleta (69. Andrade), Joao Pinto Südkorea: Jae Woon Lee - Jin Cheul Choi, Hong, Tae Young Kim - Song, Nam Il Kim, Young Pyo Lee, Yoo - Park, Ahn (90. Chun Soo Lee) - Seol Schiedsrichter: Sanchez (Argentinien) Zuschauer: 52.000; Tore: 0:1 Park (70.); gelb-rote Karte: Beto (65.); rote Karte: João Pinto (27.)