Zu viel Autoblech in Städten

Aktionen gegen Deutschlands heiß geliebtes Vehikel. Boom bei autofreien Siedlungen

BERLIN taz ■ Die 80 Millionen Deutschen fahren 41 Millionen Autos. 60 Prozent der Stadtflächen dienen dem Verkehr – die Parkplätze noch gar nicht mitgerechnet. Deutschland, einig Autoland? Nicht ganz: Morgen ruft das Aktionsbündnis „Mobil ohne Auto“ bundesweit zum autofreien Aktionstag auf. Über einhundert Kommunen finden die Idee Klasse und machen – zumindest verbal – mit. Die Veranstalter kalkulieren optimistisch mit „hunderttausenden Menschen“, die mit demonstrieren.

Eine andere Form des Widerstands gegen wachsenden Verkehr in den Städten sind Projekte mit autofreien Zonen in Wohngebieten. Doch die Umsetzung autofreier oder -armer Projekte gilt als schwer vermarktbar. Die Politik zeigt sich bei „autofrei“ bauunwillig. Und weitere Steine liegen der Realisierung im Weg. Der planerische Aufwand ist hoch, „ein Zeitraum von acht Jahren zwischen den ersten Überlegungen und der Realisierung ist nichts Ungewöhnliches“, so der Experte Arne Koerdt vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Zudem konzentrieren sich Projekte dieser Art meist auf Neubauten. „Das Neubauvolumen ist jedoch im Vergleich zum Bestand gering.“

Daher ist autofreies bzw. -armes Wohnen noch immer ein Nischenprodukt. Dabei genießen alle existierenden Projekte eine überdurchschnittliche Nachfrage. Zudem steckt noch genug Ausbaupotenzial in Bauweisen dieser Art: 28 Prozent aller Haushalte in Deutschland besitzen kein eigenes Auto.

Mittlerweile gibt es dennoch eine Anzahl gut funktionierender autofreier Siedlungen, wie z. B. in Hamburg, Köln, München oder Frankfurt. In Freiburg-Vauban muss nicht immer ganz auf das Auto verzichtet werden. Autofreie Haushalte werden finanziell begünstigt, der kleine Teil der Autobesitzer parkt sein Auto am Rand der Siedlung. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich über Fahrgemeinschaften wie Car-Sharing an einem gemeinsamen Autopool zu bedienen.

„Autoverzicht muss kein Verzicht an Lebensqualität sein.“ Laut Koerdt sprechen auch andere positive Merkmale wie Niedrigenergiebauweise in Tübingen-Südstadt oder Freiburg-Vauban für Projekte solcher Art. Koerdt hat einen Wunsch: „autofreie Wohnprojekte, die langfristig zu einer Veränderung des Mobilitätsverständnisses beitragen“. Damit Deutschland nicht immer Autoland bleibt.

KATHINKA LÜBBEHÜSEN

Infos: www.moa-bw.de www.autofrei.de, www.planungsrundschau.de