„Ein Team verliert, eins gewinnt“

Mit einem 27:7 gegen Frankfurt erreicht Berlin Thunder nicht nur das Endspiel der NFL Europe, sondern macht aus seinem Trainer Peter Vaas auch noch einen erfolgreichen Propheten. Im Finale wartet ausgerechnet Angstgegner Düsseldorf

von THOMAS WINKLER

Peter Vaas lächelte. Vielleicht zum ersten Mal in dieser Saison, die bis dahin zehn lange Wochen gedauert hatte, gab der Headcoach von Berlin Thunder in der Öffentlichkeit seine prinzipiell leicht knorrige Grundverfassung auf und lächelte. Lächelte nicht grimmig, nicht aus Nervosität, nicht, um irgendetwas zu überspielen, sondern lächelte ganz entspannt. „I told you so“, teilte er der versammelten Pressemeute mit, ich hab es euch doch gesagt. Dann lehnte sich ganz gelöst zurück und harrte weiterer Fragen.

Der Grund für des Trainers Entspannung: Gerade eben hatten die Seinen das Endspiel der NFL Europe erreicht mit einem 27:7 gegen Frankfurt Galaxy, den direkten Konkurrenten um den Einzug in den World Bowl. Vor allem aber wurde bewiesen, was Vaas seit Beginn der Saison gepredigt und wohl auch immer geglaubt hatte: „Wir haben ein gutes Football-Team.“ Ein Wissen, mit dem Vaas eine ganze Weile allein da stand, vor allem nachdem seine Mannschaft mit drei Niederlagen am Stück das Unternehmen Titelverteidigung begonnen hatte. Nach jedem neuen Misserfolg aber wiederholte Vaas seinen Satz: „Wir haben ein gutes Football-Team.“ Er sollte sein Mantra werden. Und am Ende, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, tatsächlich der Wahrheit entsprechen.

Allerspätestens nach diesem souverän herausgespielten Sieg gegen Frankfurt, steht der Trainer von Thunder nicht mehr allein mit seiner Meinung. „Wir sind jetzt überzeugt von uns“, sagte Quarterback Todd Husak nach dem Schlusspfiff, „sehr überzeugt“. Und der wieder einmal überragende deutsche Verteidiger Lelan Brickus konstatierte ein stetig gewachsenes Selbstbewusstsein, bei sich selbst und in der ganzen Mannschaft. Aber nicht nur die eigene Belegschaft, auch der Parteinahme gänzlich Unverdächtige beten mittlerweile das Vaassche Mantra. „Berlin war heute klar das bessere Team“, musste ein sichtlich zerknirschter Doug Graber, Headcoach der Galaxy, eingestehen, „und im Moment sind sie wohl sogar das beste Team in der ganzen Liga.“

Ein Problem allerdings gibt es: Am kommenden Samstag geht es im Düsseldorfer Rheinstadion im Endspiel gegen die dort beheimateten Rhein Fire. Von den letzten sieben Spielen verloren die Berliner zwar nur eins, mit 14:24 aber ausgerechnet in Düsseldorf. Auch die erste Partie gegen Rhein Fire war verloren gegangen. Vor allem der Berliner Angriff um Quarterback Husak, statistisch gesehen der beste der Liga, agierte gegen die Düsseldorfer Verteidigung, die die wenigsten Punkte in der Liga zugelassen hat, jeweils unglücklich.

Wie man gedenke, am nächsten Wochenende diesen Trend umzukehren, wusste Vaas noch nicht zu sagen. Versprach aber, jetzt nur eine vor ihm platzierte Flasche Wasser zu leeren und dann sofort mit der Vorbereitung auf das nächste Spiel zu beginnen. Das ist bekanntlich immer das schwerste, was schon Sepp Herberger wusste, mit dem Vaas mitunter verwandt zu sein scheint. „So viel ich weiß, geht es kommenden Samstag bei 0:0 los“, öffnete er wieder einmal sein Füllhorn mit Football-Weisheiten, „ein Team wird verlieren, ein Team wird gewinnen.“ Sollte Thunder dieses zweite Team sein und den im letzten Jahr erworbenen Titel verteidigen, dann wäre das ein Novum: In bisher neun Spielzeiten konnte noch kein Klub zweimal hintereinander den Titel gewinnen.

An Novitäten war bereits dieser Samstagabend im Jahn-Sportpark nicht gerade arm. Thunder wurde zum ersten Team, das es schaffte mit drei Niederlagen in die Saison zu starten und doch noch den World Bowl zu erreichen. Husak übertraf im Lauf des Spiels sämtliche Team-Rekorde und stellte schließlich auch gleich noch ein paar Liga-Bestmarken auf. Running Back Anthony White erlief unglaubliche 197 Yards, so viel wie niemand zuvor in einem Thunder-Trikot. Vor allem aber die Verteidigung lieferte ihre beste Saison-Leistung ab und sorgte dafür, dass das Spiel früh entschieden war – eine Seltenheit in der NFL Europe, in der die Mannschaften vor jeder Saison nahezu komplett neu zusammengestellt werden und somit meist gleichwertig sind.

So wäre die Titelverteidigung eine umso größere Leistung. Und zudem dem Management von Thunder dienlich in seinem Bemühen, den Football in der Hauptstadt endgültig in größerem Maßstab zu etablieren. Zwar kamen am Samstag mit 12.397 Zuschauern so viele wie nie zuvor ins Jahn-Stadion, aber das sind marginale Zahlen im Vergleich zu den beiden anderen deutschen Franchises in der NFL Europe. 58.000 kamen vor einer Woche ins Frankfurter Waldstadion und stellten einen neuen Liga-Rekord auf. Also denken die Berliner und vor allem ihr Manager Michael Lang über einen Umzug ins Olympiastadion nach. Dort gibt es mehr Parkplätze, zudem verortet man in den Westbezirken ein größeres Publikumspotenzial.

Ob in Ost oder West, in dieser Stadt, hat Lang in seinen vier Jahren in Berlin festgestellt, liebt man nur Gewinner. Auch Peter Vaas hat das gelernt, wenn er es nicht schon immer wusste. „Es reicht nicht, zum Ball eingeladen zu werden“, sprach der Coach mit dem Hang zu Sinnsprüchen, „man muss dann auch tanzen.“