Keine Leichen, aber leicht verletzt dürfen sie sein

taz-Diskussion auf der top-Frauenmesse in Essen: Warum gibt es in Deutschland so wenige Frauen auf den Teppichetagen der Unternehmen?

ESSEN taz ■ Wer denn nun wirklich Schuld daran ist, dass Männer über das Leben von Frauen bestimmen in dieser Republik, wollte die taz am Sonntag auf der top-Frauenmesse in Essen wissen. Warum ist es für eine Frau leichter, vom Blitz erschlagen zu werden, als in den Vorstand eines Großunternehmens zu kommen?, formulierte taz-Chefredakteurin Bascha Mika.

Als größter Bösewicht ließ sich dabei die Macht der Gewohnheit ausmachen. So hatte das Institut des Berliner Männerforschers Klaus Schwerma erforscht, dass die befragten Männer im öffentlichen Dienst felsenfest davon überzeugt waren, sie machten überhaupt keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei Nachfragen kam dann heraus, dass man fand, Frauen hätten doch oft Probleme, mit den Kindern etwa. Zudem würde den Männern mehr zugetraut: „Männliches Aufschneidertum wird einfach geschätzt. Wer bluffen kann, wird bewundert, auch wenn jeder weiß, dass nicht viel dahinter steht“, erklärte Schwerma.

Da können die Damen, denen etwa von der Managementberaterin Cornelia Topf oder der Headhunterin Christina Langen von Kienbaum Consultants bescheinigt wurde, sie unterschätzen ihr Können eher, natürlich lange warten, bis ihre wunderbare Sacharbeit gewürdigt wird. Zusammen damit, dass Männer sich für ihren Führungszirkel diejenigen aussuchen, „die zu ihnen passen“, und dass sie zwecks Pinkel- und Kneipenrunden gerne Männer seien, wie Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne) erläuterte, hätte man schon einen hübschen Ausschlussmechanismus gefunden – leider völlig unbewusst und daher nur durch verschärfte Aufklärung zu ändern.

Während Frau Langen von Kienbaum bei der jüngeren Generation von Geschäftsführern die „Offenheit“ gegenüber Frauen sah, wies Schewe-Gerigk darauf hin, dass die USA zu ihren Traumzahlen von 42 Prozent Frauen in Führungsstellen auch nur kamen, weil dort öffentliche Aufträge an Firmen unter anderem an die Frauenförderung gekoppelt seien. Für ein solches Gesetz wiederum hätten die Frauen in Deutschland einfach nicht getrommelt. Gerade mal hundert Protestbriefe zählte Kanzler Schröder, als er das Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft abblies. Dabei gibt es in Deutschland mehr Frauen als Männer.

Da haben wir die andere Hälfte der Übeltäterinnen: les femmes. Aber wollen die tatsächlich einfach nicht in die komplizierten Führungsjobs? Astrid Bühren vom Ärztinnenbund berichtete von Untersuchungen, nach denen mehr Studentinnen als Studenten zu Beginn der Ausbildung Karriere machen wollen. Am Ende des Studiums kehrt sich das Verhältnis um. Dann nämlich haben schon einige der Frauen Erfahrungen als studierende Mütter gemacht – und „was schon im Studium unmöglich ist, können sie sich im Beruf gar nicht mehr vorstellen“, fasst sie zusammen. „Warum gibt es überall genug Parkplätze für Autos, aber keine Betreuungsplätze für Kinder? Sind die weniger wichtig?“, fragt Bühren.

Doch die Damen bekommen trotz aller äußeren Schwierigkeiten auch ihr Fett weg: „Wenn ich jemanden nicht kritisieren mag, weil ich Angst habe, dass er mich dann nicht mehr mag“, stellt Cornelia Topf fest, „dann bin ich einfach falsch in einem Führungsjob.“ Raus aus der Opferhaltung, fordert die Beraterin: „Sie müssen nicht über Leichen gehen, aber leicht Verletzte dürfen es schon sein.“ HEIDE OESTREICH