stoibers bundeswehr
: Gegen Rechtsstaat und Demokratie

Wir kennen Edmund Stoiber als St. Georg, der seine Lanze in den Schlund des rot-grün gefärbten Bürokratiedrachen stößt, um der deutschen Wirtschaft endlich wieder freie Bahn zu schaffen. Darüber ist seine zweite Rolle als Nothelfer etwas in den Hintergrund geraten – die des St. Christopherus, der den deutschen Bürger sicher durchs stürmische Meer des Terrorismus trägt. Um den verblassten Heiligenschein des Bürgerretters wieder glänzen zu lassen, hat der Kanzlerkandidat jetzt zwei Forderungen erhoben: den Einsatz der Bundeswehr für Zwecke der inneren Sicherheit und die Ausweisung von Ausländern, die Organisationen mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung angehören.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Stoibers Projekt Nummer 1 wurde bereits im Herbst letzten Jahres von St. Otto lanciert, allerdings ohne Erfolg. Die Bundeswehr selbst qualifizierte die Idee teils als unsachgemäß, teils als überflüssig oder schlicht als idiotisch ab. Es wurde darauf verwiesen, dass die Bundeswehr schon jetzt im Wege der Amtshilfe Katastropheneinsätze unternehmen, im Einzelfall auch Einrichtungen schützen könne. Das reiche aus, schließlich gebe es den Bundesgrenzschutz. Und in der kritischen Öffentlichkeit wurde das Projekt als Startschuss für den Versuch begriffen, die Trennung von polizeilicher und militärischer Gewalt auszuhebeln, als Instrument der Militarisierung der Sicherheitsapparate.

Nicht besser steht es mit der Demokratieverträglichkeit von Stoibers Projekt Nummer 2: Angehörige verfassungsfeindlicher Organisationen schon im Fall der bloßen Mitgliedschaft auszuweisen. Das geltende Ausländerrecht sieht neben zwingenden Ausweisungsgründen, zu denen auch die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation gehört, Ermessensentscheide vor. Solche Entscheide können bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, bei Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik ausgesprochen werden.

Auch die Drohung mit oder die Anwendung von Gewalt – etwa bei Demonstrationen – kann ausreichen. Aber mit diesem behördlichen Ermessen darf nicht frei hantiert werden. Es bedarf des Nachweises individuell zurechenbarer Handlungen. Bloße Mitgliedschaft in einer Gruppe, die der Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich etikettiert hat, reicht nicht aus. St. Georg Stoiber hat seine Lanze gegen Rechtsstaat und Demokratie gerichtet.

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