Alle Kräne stehen still

In Hamburg ist der Auftakt für den bundesweiten Streik der Bauarbeiter. Sie wollen 4,5 Prozent mehr Geld und vor allem das Ende des Lohndumpings

von KAI VON APPEN

Die Streikwelle rollt vom Norden her über die Republik. Mit Beginn der Tagesschicht traten gestern 1000 BauarbeiterInnen in der „Wirtschaftsregion Hamburg“ in den Streik. Kräne und Bagger blieben stehen. Gegen Mittag befanden sich dann bereits 2000 Beschäftigte im Ausstand. In 64 Firmen und auf 202 Baustellen in Hamburg ruhte die Arbeit. Die Hansestadt ist somit Pilotbezirk der Tarifauseinandersetzung für die bundesweit 345.000 BauarbeiterInnen.

Die Gewerkschaft Bau, Agrar, Umwelt (BAU) richtet sich auf einen langen Tarifkonflikt ein. „Wir bitte Euch, Euch jeden Morgen um sechs Uhr hier im Zelt einzufinden“, so ein Sprecher der Streikleitung, „dann werden die Einsatzpläne herausgegeben.“

In der Klaus-Groth-Straße nahe dem Berliner Tor herrscht seit gestern Ausnahmezustand. Überall Parkverbot, die Ausnahmen sind ausgeschildert: „Streik-Teilnehmer frei“. Gegenüber der IG BAU-Zentrale ist ein Festzelt aufgebaut, in dem ein Transparent prangt: „Ausländische Kollegen willkommen – Dumpingunternehmen angreifen.“ Die Streikenden sind zum Teil mit Firmenfahrzeugen gekommen, über den Emblemen improvisiert der Zusatz „Streik“.

Seit 1949 haben die Bauarbeiter nicht mehr gestreikt. IG BAU-Chef Christoph Burmester: „Nach so langer Zeit müssen wir das Streiken noch üben, aber Bauarbeiter sind ja das Zupacken gewohnt“, beschwört er die Kollegen auf einer Versammlung im Streikzelt. „Das Wort Arbeitskampf besteht nun mal aus Arbeit und Kampf.“

Das haben die Malocher kurz zuvor gezeigt. Da auf der Baustelle der nahegelegenen Fachhochschule ein kleiner Trupp doch Ausputzarbeiten durchführen will, ziehen 100 Streikende vor die Bausstelle. Allein ihr Anrücken reicht aus, die Arbeit ruht nun auch dort. Gegenüber prangt von dem großen Kran ein riesiges Transparent „Streik“.

Burmester appelliert, sich nicht beirren zu lassen: „Wenn die feine Dame im 4000-Mark-Kostüm Euch anmacht, ihr solltet doch lieber Arbeiten gehen, dann macht Euch klar, die hat in ihrem Leben nicht so viel gearbeitet wie Ihr an einem Tag.“ Auch wenn in den Medien über ein Angebot der Arbeitgeber von drei Prozent geredet werde, so Burmester, „wisst Ihr, dass sich hinter der Mogelpackung nur 1,75 Prozent verbirgt, weil wir für sechs Monate keinen Cent bekommen sollen“.

Für viele geht es nicht nur um mehr Lohn, sondern ums Prinzip: „4,5 Prozent mehr bringt mir gar nichts, weil das gleich wieder durch Preissteigerungen weg ist“, sagt ein Vorarbeiter. „Es geht darum, dass das Lohndumping endlich aufhört.“