Junkie verurteilt, Apothekerin frei

Beim Apotheken-Skandal müssen bis jetzt nur die Kleinen büßen

1.695 Ampullen des blutgerinnungshemmenden Medikaments Fraxiparin ließ sich Susanne B. zwischen April 1999 und Februar 2000 von bis zu elf Bremer Arztpraxen verschreiben – fünfeinhalbmal so viel, wie sie selbst bei regelmäßiger Anwendung benötigt hätte. Nur: In der Sielwall-Apotheke, die für die teuren Rezepte bei der AOK insgesamt 37.000 Mark kassierte, ging von Oktober 1999 bis Februar 2000 keine einzige Fraxiparin-Ampulle über den Tresen.

„Gewerbsmäßiger Betrug“ meint das Bremer Amtsgericht. Während das Verfahren gegen die beschuldigte Apothekerin jedoch mangels Beweisen eingestellt worden war, verurteilte Richter Ulrich Hoffmann gestern die 41-jährige ehemalige Drogenabhängige wegen Beihilfe zum Betrug in fünf Fällen zu fünf Monaten Gefängnis, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung.

Aufgeflogen war der zweite Bremer „Apotheken-Skandal“ durch den Hinweis eines Arztes, der die Kripo auf die dubiosen Praktiken mit Fraxiparin-Rezepten aufmerksam gemacht hatte. Auch der Krankenkasse waren die hohen Medikamenten-Rechnungen aufgefallen.

Eine Durchsuchung der Apotheke und der Wohnung der Apothekerin im Februar 2000 sowieNachforschungen beim Hersteller des seltenen Medikaments und bei den Grossisten hätten ergeben, dass die Apotheke in den fünf Monaten zuvor keine einzige der teuren Ampullen auf Lager hatte und sie auch nicht damit beliefert worden sei, erklärte gestern ein als Zeuge geladener Polizist. Nach Auffassung des Richters hat B. statt des seltenen und teuren Medikaments für die Rezepte Geld oder Drogenersatzstoffe erhalten. Profitiert habe von dem Deal aber in erster Linie die Apotheke.

Wegen ähnlicher Betrugsvorwürfe, allerdings in weit größerem Ausmaß – beim großen Bremer „Apotheken-Skandal“ geht es um weit teurere Medikamente für HIV-Kranke – ermittelt die Staatsanwaltschaft seit über zwei Jahren noch gegen eine Hand voll weiterer Apotheken. Mit der Anklageerhebung rechnet Richter Hoffmann noch in diesem Jahr.

Armin Simon