„Dreist“ oder nur blöd formuliert?

Aufregung bei Radio Bremen: Wollen Parteien Einfluss auf Berichterstattung beim Regionalmagazin buten un binnen nehmen? Nein, beteuern CDU und SPD – Nein! sagt bubi-Chef Meyer / Medienexperte „sehr irritiert“

Die Worte klingen sanft, sehr sanft. So sanft, dass Ende vergangener Woche beim Radio-Bremen-Aushängeschild buten un binnen (bubi) die Aufregung groß und der Kommentar des Chefredakteurs Jens Meyer harsch war: Ein „übler und dreister Angriff auf die Pressefreiheit“ sei das, was da im Radio-Bremen-Gesetz stehe, „einmalig in der Bundesrepublik.“

Das Objekt der Aufregung steht im just verabschiedeten Radio-Bremen-Gesetz weit hinten. Es geht um Wahlwerbung. Nicht um Werbung für Europa- und Bundestagswahlen – Werbespots der Parteien laufen nun auch auf Radio Bremen, wie auf allen anderen öffentlich-rechtlichen Kanälen. Es geht um Werbung für die Wahl zum Bremer Landesparlament, der Bürgerschaft. Parteien-Spots sollen nicht ausgestrahlt werden – was stattdessen passieren soll, klingt im Gesetz so: „Vor Einführung einer entsprechenden Regelung für die Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft (nämlich dem Senden von Parteien-Werbespots, Anm. d. Red.) soll mit Radio Bremen (Intendant) erörtert werden, auch im Hinblick auf die Regionalberichterstattung von buten un binnen, wie Art, Umfang und Verfahren der Darstellung der Parteien, einschließlich ihrer Selbstdarstellung, in der Vorbereitung der Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft gestaltet werden kann und soll.“

Das Windelweiche dieser Formulierung macht den Journalisten bei Radio Bremen Angst. Und Wut. Und die Hoffnung, dass es ganz so bitter nicht sein möge, wie sich die Worte auch interpretieren lassen: nämlich als parteiliche Einmischung in redaktionelle Unabhängigkeit. Jens Meyer: „Ich meine, dafür werden sich die demokratischen Parteien in der Bremischen Bürgerschaft nicht hergeben.“

Werden sie auch nicht – zumindest beteuern das die beiden medienpolitischen Sprecher der großen Koalition, Frank Schildt (SPD) und Heiko Strohmann (CDU), und gestehen, dass zumindest die Formulierung verunglückt sei. „Es hat den Anschein, als wenn politischer Einfluss genommen werden sollte“, sagt Frank Schildt, „aber ich lese das nicht so.“ Im Gegenteil: „Genauso wie die bisherige Praxis“ solle weiter in Sachen Werbung für die Wahlen zur Bürgerschaft verfahren werden, so der SPD-Mann.

Die bisherige Praxis sah so aus, dass in den Zeiten von Bundestagswahlen, in denen auf anderen öffentlich-rechtlichen Kanälen die Werbespots der Parteien liefen, Radio Bremen Aufrufe zur Wahlbeteiligung sendete – gänzlich frei von Partei-Inhalten. Und bei Bürgerschaftswahlen, die bisher und künftig Spot-frei waren und bleiben sollen, arbeiteten die bubi-Leute, wie unabhängige Redaktionen es eben tun: Sie entschieden allein über die Gestaltung der Berichterstattung, natürlich ohne Rücksprache mit den Parteien über die Inhalte.

Wenn es nach der CDU gegangen wäre, gäbe es auch bei den Wahlen zum Bremer Landesparlament Werbefilmchen der Parteien. Darauf aber habe man sich mit dem roten Partner nicht einigen können, so CDU-Mann Strohmann, deshalb habe man die „ein bisschen weichere Formulierung“ gefunden, die wohl „unglücklich“ sei und keinesfalls so gemeint, wie jetzt interpretiert.

„Sehr irritiert“ zeigt sich der Hamburger Politikprofessor und Medienexperte Hans J. Kleinsteuber über diesen Part des Bremer Gesetzes: „Dass die Darstellung der Parteien mit dem Intendanten verhandelbar sei, das geht so nicht“, sagt er, „das widerspricht dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag.“ Mehr noch: „Darstellung und Selbstdarstellung der Parteien werden hier vermischt“, kritisiert er. Das aber müsse getrennt bleiben. „Selbstdarstellung meint die Wahlspots, Darstellung meint die publizistische Arbeit der Redaktion.“ Kleinsteuber: „So wie es hier formuliert ist, sollte es in keinem Dokument stehen.“

Die Grünen bitten jetzt um Aufklärung. Gestern reichten sie für die nächste Fragestunde im Landtag die Frage ein, was denn besagter Satz bedeute. „Vielleicht, dass Sendezeiten danach eingeteilt werden, wie die Parteien in der Bürgerschaft vertreten sind?“, fragt die medienpolitische Sprecherin Anja Stahmann polemisch. „Man könnte meinen, man lebt in einer Monarchie.“

Wenn nicht in einer Welt der Könige, so doch in einer Welt des Geldes. Denn, so ist aus Koalitionskreisen zu hören, die wahren Gründe für die krude Formulierung, die der Koalitionsausschuss in das Gesetz geschrieben hat, seien viel schnöder. Wahlwerbung kostet, gut gemachte Spots sind teuer. Zu teuer für die SPD, die sich lieber auf den vermuteten oder erhofften Linksdrall der bubi-Mannschaft verlassen will. Oder – das wäre die freundlichere Interpretations-Variante – verhindern will, dass betuchte Ultrarechte ein Podium fänden.

Bleibt die Frage, welche Konsequenzen der Satz nun haben wird, wenn er doch gar nicht so gemeint sein soll, wie ihn viele verstehen. Bubi-Chef Jens Meyer hat schon mal Position bezogen: „In buten un binnen haben wir die Interessen der Zuschauer zu vertreten, nicht das Interesse einzelner Parteien“, erklärte er jetzt den Bremer Fernsehguckern, und: „Erwarten können Sie, unsere Zuschauer, zur Bürgerschaftswahl informative, aktuelle und anschauliche Beiträge. Damit Sie sich eine Meinung bilden können. Das gehört zu unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Nicht mehr und nicht weniger.“ susanne gieffers