Uuuh, Summer in the City!

Heute sollen es laut Prognose in der Hauptstadt bis zu 36 Grad im Schatten werden. Was Sie schon immer über den heißesten Tag des Jahres wissen wollten – aber zu fragen verschwitzt haben

von PHILIPP GESSLER
und PLUTONIA PLARRE

Heute herrscht Kaiserwetter – solche Hitze gab es an einem 18. Juni das letzte Mal zu Kaiser Wilhelms Zeiten. Genau gesagt: 1917. Der private Wetterdienst MC erwartet den wärmsten Tag des Jahres mit 36 Grad im Schatten.

„Ein gut klimatisiertes Büro oder noch besser: ein Bad im See nehmen“, lautet deshalb die Empfehlung des Potsdamer Wetterdienstes. Gekniffen ist da die Polizei: Das Tragen der Dienstmütze bleibt für die 16.000 Angehörigen der Schutzpolizei Pflicht, auch ein früherer Feierabend ist nicht drin. „Wir haben unseren Auftrag“, so eine Polizeisprecherin. Allerdings könnten Direktionsleiter ihren Beamten im Streifendienst oder beim Objektschutz erlauben, „nicht in praller Sonne zu stehen“.

Auch für die Feuerwehrleute wird es hart: „Wir rechnen mit bis zu 30 Prozent Steigerung der Notrufe aufgrund von Kreislaufzusammenbrüchen“, schätzt ein Pressesprecher. Normalerweise fährt die Feuerwehr 500 Einsätze binnen 24 Stunden.

Wie heißt das Haftvermeidungsprogramm der Senatsverwaltung für Justiz doch so schön? Schwitzen statt Sitzen – für die kleinen Fische. Für die harten Jungs des Männerknasts Tegel gilt: Schwitzen und Sitzen. „Bei Temperaturen über 25 Grad werden die Zellen aber länger geöffnet, damit sich die Hitze nicht so staut“, erklärt ein Justizsprecher.

257.496 Berliner Schüler müssen weder sitzen noch schwitzen. Das letzte Wörtchen über den „Unterrichtsausfall bei übermäßiger Hitze“ spricht aber der Schulleiter – und zwar strikt gemäß einer Ausführungsverordnung: Wenn innerhalb des Schulgebäudes um 11 Uhr 25 Grad erreicht sind, soll der Unterricht nicht über die 5. Stunde hinausgehen. Werden bereits um 10 Uhr 25 Grad gemessen, ende der Unterricht nach der 4. Stunde. Dies gilt nicht für die Oberstufler und für Lehrkräfte. „Lehrer“, betont Schulsprecherin Rita Hermanns, „bekommen kein Hitzefrei.“

Doch des einen Freud … : Norbert Hennig, der mit seinen Schwestern zehn Eisläden in der Stadt betreibt, weiß, dass die Verkaufskurve ab der 25-Grad-Marke auf dem Thermometer steil nach oben geht. Außer dem Konsum von Fruchteis hat der 50-jährige Eisprofi noch einen ganz persönlichen Tipp: „Ganz schnell Fahrrad fahren, das kühlt“. Und viel trinken! Mindestens drei Liter pro Tag. „Spreequell“ rechnet mit verdoppeltem Absatz im Sommer, heißt es in der Pressestelle. „Abkühlungen in jeder Form“ würden im „St.-Josefs-Altersheim“ in Schöneberg verabreicht, heißt es dort. Sonst bleibe man gelassen: Die Senioren würden „abgelenkt“, damit sie sich „nicht reinsteigern“.

Gelassenheit auch im Zoo: Selbst Eisbären könnten mit der Hitze „wunderbar umgehen“, beruhigt Pressesprecher Ragnar Kühne. Sie räkelten sich sogar manchmal in der Sonne – anders als Elefanten, Tapire oder Pferde, die bei Hitze meist Schatten suchten. Die Marabus sind noch schlauer. Sie bekoten zur Kühlung ihre eigenen Beine, Kängurus belecken sich – der Verdunstungskälte wegen. Aber: „Die Pfleger werden leiden.“

Apropos: Wer seinen Hund los werden will, sollte ihn bei der Hitze im Auto allein lassen. Selbst bei leicht geöffneten Fenstern steigt die Temperatur im Wageninnern in wenigen Minuten auf über 70 Grad – und da können zehn Minuten ausreichen, dass der Vierbeiner an Herzschlag stirbt, warnt die Tierrechtsorganisation Peta.

Auch die Kämpfer für mehr Arbeitnehmerrechte beschäftigt das Sommerhoch „Xabier“ (wirklich mit „b“): Man werde nun für die Streikposten Sonnenschirme organisieren, „jede Menge Wasser“ und womöglich auch Salztabletten gegen die Austrocknung, erklärt der Geschäftsführer Berlin-Brandenburg der IG BAU, Rainer Knerler.

Wer schließlich glaubt, am Fernseher bei der Fußball-WM und ein, zwei, drei kühlen Bierchen am besten die Hitze überstehen zu können, sollte vorsichtig sein: Die Hitze lässt die Gefäße anschwellen, damit die Wärme abgeleitet wird. Dem Kreislauf steht dann weniger Blut zur Verfügung, um den Blutdruck aufrechtzuerhalten – deshalb macht er bei Hitze häufig schlapp. Kommt dann noch Alkohol ins Spiel, weiten sich die Gefäße noch weiter und noch mehr Flüssigkeit und Mineralstoffe werden ausgeschieden.

Zudem können wichtige Sportereignisse im Fernsehen bei Fans zu Herzattacken und Schlaganfällen führen, fand eine niederländische Studie heraus. Demnach stieg die Zahl der Todesfälle der über 45-jährigen Niederländer am 22. Juni 1996, als das Oranje-Team aus der Europameisterschaft ausschied, um 50 Prozent im Vergleich zu den fünf Tagen zuvor und danach. Bei Frauen blieb die Sterberate übrigens gleich. Und noch ein Trost: Morgen wird es schon wieder kühler. Nur noch 30 Grad.