Die Experten stehen auf dem Platz

Nach dem 2:0-Achtelfinalsieg gegen Mexiko sieht US-Coach Bruce Arena auch gegen die Deutschen gute Chancen

JEONJU taz ■ Das gewölbte Dach des Jeonju World-Cup-Stadions symbolisiert den Hapjukseon, den koreanischen Bambusfächer. Einen solchen konnte man auch gut gebrauchen an diesem heißen, stickigen Nachmittag. Schon morgens war eine Ozonwarnung rausgegangen, namentlich vom Sporttreiben wurde abgeraten. Da die Fußballmannschaft der USA aber eine Verabredung mit den Mexikanern hatte, setzte sie sich darüber hinweg. Sie tat so wenig wie möglich – und das sehr, sehr gut. Am Ende hatten die Amerikaner nicht nur das WM-Viertelfinalticket in der Tasche, sondern auch noch Luft gespart für den Freitag. Dann müssen sie in Ulsan im Viertelfinale nämlich schon wieder ran, und auch noch gegen „eine der besten Mannschaften der Welt“, wie Bruce Arena die Auswahl Deutschlands nennt.

Der US-Coach ist ein stämmiger Mann mit einem mächtigen Unterkiefer. Könnte vom Kaugummikauen kommen, vielleicht aber auch vom vielen Reden. Der 50-Jährige spricht gern und gut, und gestern in der Stunde des großen Sieges noch lieber und besser. Die USA zum ersten Mal überhaupt ins Viertelfinale geleitet zu haben, das ist aber auch ein Coup, den man auskosten darf. „Niemand glaubte an uns“, sagt der frühere Torwart Arena, „außer uns selbst.“ Sicher würden die Schlaumeier seinem Team auch jetzt gegen die Deutschen nichts zutrauen, dabei habe die WM doch klar gezeigt, dass es keine Experten mehr gebe: „Experten, das sind die elf auf dem Platz.“ Natürlich sei Germany der Favorit, „sie haben vermutlich den besten Torwart der Welt, haben den führenden Torschützen und insgesamt eine tolle Mannschaft. Auf dem Papier ist das eine klare Sache, aber wir spielen nicht auf Papier.“ Ob er schon vom Halbfinale träume, wollte einer wissen. Im Moment sehne er sich nur nach ein paar Stunden Ruhe im Quartier in Seoul – „und dann mache ich mich an den Gameplan“.

Oje, Deutschland, wenn der Gameplan genauso aufgeht wie gegen die Mexikaner, dann sieht es zappenduster aus. Gameplan, so nennen sie in den USA die Taktik. Und Arena – das sollte sein großes Mundwerk nicht verdecken – versteht etwas davon. Weil die Ruhepause vorher kurz war, schauten seine Jungs gestern erst mal, was der Gegner zu bieten hat. Als das nicht viel war, fuhren sie ihren ersten Konter … und paff stand es 1:0. Das Tor diente als Fundament für eine Betonmauer, die 30 Meter vor dem eigenen Tor gezogen wurde. „Sie wollten nicht spielen“, schimpfte der mexikanische Trainer Javier Aguirre hernach, „sie wollten nur, dass wir nicht spielen.“ Er brachte noch einen weiteren Stürmer, doch mit Engagement, Disziplin und etwas Glück wehrten die Nordamerikaner alle Angriffe ab. Ein präziser Konter brachte dann noch das 2:0 durch Landon Donovan. Die USA praktizieren einen geradlinigen, fast europäischen Fußball, der der DFB-Auswahl besser liegen dürfte als das technische Klein-Klein der Mexikaner.

Die gaben am Ende den schlechten Verlierer, Rafael Marquez sah die rote Karte für einen eingesprungenen Kopfstoß gegen Cobi Jones. Arena war vom rüden Auftreten des Regionalrivalen nicht überrascht: „Schon in der Vergangenheit ist eine Menge böses Blut geflossen, aber wenn das Spiel vorbei ist, geben wir uns die Hand.“ Dann spülte er sich den Rachen mit einem kräftigen Schluck Wasser und wandte sich dem nächsten Journalisten zu. Präsident Bush habe übrigens auch schon angerufen, ließ er locker fallen. RALF ITZEL

Mexiko: Perez - Vidrio (46. Mercado), Marquez, Carmona - Arellano, Rodriguez, Torrado (78. Garcia Aspe), Morales (28. Hernandez) - Blanco, Borgetti, Luna USA: Friedel - Sanneh, Mastroeni (90. Llamosa), Pope, Berhalter - Lewis, Reyna, O’Brien, Donovan - Wolff (59. Stewart), McBride (79. Jones) Zuschauer: 36.380; Tore: 0:1 McBride (8.), 0:2 Donovan (65.)Rote Karte: Marquez (88.)