vorlauf
: Russisches Roulette

„Strengstoff für den Kreml“, Arte, 20.15 Uhr

Eduard Petrow ist Polizeireporter in Moskau. Er arbeitet für die staatliche Fernsehstation RTR. Seine Sendung hat gute Einschaltquoten, denn Petrow holt den Menschen die Halbwelt auf den Bildschirm: Der Journalist deckt Schiebereien in großstädtischen Industriegebieten auf, Korruption in der Provinz, die kriminelle Energie staatseigener Unternehmen. Eine schnelle Fahrt durch das Verbrechergelände des russischen Alltags ist das. Petrows Kamera zeigt Garagen voller Schmuggelware, Männer, die durch Treppenhäuser stürmen, dicke Firmenchefs, die betreten mit den Schultern zucken. Es geht um Mafia, Erdöl, falsche Papiere. Petrow ermittelt, bekommt einen Tip, begleitet die Razzia. „Ich habe gute Beziehungen zur Kriminalpolizei“, sagt er bedrohlich lächelnd ins Mikrofon.

Die beiden Regisseure Juri Ginsburg und Markus Thöß haben den Kriminalreporter Petrow bei seiner Arbeit begleitet. Ihre Arte-Reportage „Sprengstoff für den Kreml“ beleuchtet nicht nur die Karriere eines Journalisten in Moskau, sondern auch die Situation des russischen Fernsehens ganz allgemein. Seit Putins Machtantritt hat sich die Medienlandschaft stark verändert. „Die Situation ist sehr diffus“, erzählt einer von Petrows Kollegen. Die Kampfansage des Präsidenten gegen Korruption und Kriminalität, die Zerschlagung der Medienimperien von Gussinski und Beresowki habe bei engagierten Journalisten wie Eduard Petrow neues Vertrauen in den Staat geweckt, während andere dies als Mittel im Kampf gegen politische Gegner und Unterdrückung der Pressefreiheit werten. Schließlich sei die russische Marktwirtschaft sowieso „durch und durch kriminell“. Und Michael Gorbatschow, der dem Arte-Filmteam zufällig vor die Kamera läuft, erklärt: „Ich denke, es gibt kein anderes Land auf der Welt, in dem die Medien so offen sind wie bei uns.“

Einmal ist Petrows blonde junge Frau im Bild. Sie sitzt allein an einem Tisch in der gemeinsamen Wohnung. Sie sagt, dass Eduard eines Tages nicht mehr nach Hause kommen wird, das wisse sie genau. Ein Killerkommando der Mafia wird ihn umbringen, damit rechnet sie fest.

KIRSTEN KÜPPERS