Der Daumen ist ab

Beim Einbuchten amputierte die Polizei einem Ausnüchterer den wichtigsten aller Finger – per Tür

Von einem „Unfall“ spricht die Polizei,von „möglicherweise fahrlässigem Verhalten“ der Beamten die Anwältin, Heiko D., ein 35-jähriger Diplom-Ingenieur aus Walle, ist richtig entsetzt: „Mein Daumen ist ab. Und da wächst auch nix wieder nach.“

Der Besuch einer Party am Unisee wird für Heiko D. noch ein lebenslanges Nachspiel haben. Betrunken war er Sonntag früh vom Feiern zurückgekehrt. „Die Nachbarn haben Fernsehen geguckt,“ berichtet D. Für D.s Empfinden offensichtlich zu laut. Er randalierte, nach Aussage der Polizei soll er im Verlauf des Sonntags mehrfach seine Nachbarn bedroht haben. Die Beamten nahmen D. in Gewahrsam und brachten ihn auf die Waller Wache in die Ausnüchterungszelle. Dort wehrte D. sich heftig. „Ich wollte nicht in die Zelle“, sagt er.

Mehrere Beamte versuchten, D. einzubunkern. Der hielt sich am Türrahmen fest. Trotzdem wurde die Tür unsanft zugedrückt – autsch!

„Unmittelbar nach dem Vorfall entdeckte eine Beamtin ein Daumenstück auf der Höhe des Türschlosses“, erzählt Polizei-Pressemann Ronald Walter. „Der eine schiebt, der andere drückt“, so sei das mit dem abben Daumen passiert. „Vier Stunden lag ich in der Zelle, ohne dass sich jemand um mich gekümmert hat“, betont D. und widerspricht damit der Aussage der Polizei, ihn sofort in ärztliche Hände übergeben zu haben. Weiter behauptet D., während der Daumen-OP in der Klinik St.-Jürgen-Straße von mehreren Beamten zu einer Unterschrift „genötigt“ worden zu sein, bis der Arzt die Polizisten „rausgeworfen“ hätte. Auch dem widerspricht der Polizeisprecher. D. habe im Krankenhaus weiter marodiert.

D.s Daumen musste bei der Operation ab dem obersten Glied amputiert werden. Dass die Polizisten mit unverhältnismäßig viel Gewalt vorgegangen seien, streitet die Polizei ab. „Betrunkene können übermenschliche Kräfte entwickeln“, betont der Polizeisprecher. Und:

„Wir bedauern den Unfall, aber letztlich hat sich D. selbst in diese Situation gebracht.“ D. sagt: „Ich bin ein Krüppel.“ Seine Rechtsanwältin Britta Korgel will das Ganze erst mal prüfen und verweist darauf, dass in Deutschland schadensersatzmäßig „keine amerikanischen Verhältnisse herrschen.“ Wichtig dabei sei auch, ob D. in Zukunft seinen Beruf ohne Daumen ausüben könne. ksc